Global klarkommen

Das künstlerische Feld hat sich erfreulich weit aufgefächert: In Berlin wurden die vier Nominierungen für den „Preis der Nationalgalerie für junge Kunst“ bekannt gegeben

Vom ersten Preisträger hat man nichts mehr gehört. Nachdem der Düsseldorfer Maler Dirk Skreber im Dezember 2000 mit dem auf damals 100.000 Mark dotierten „Preis der Nationalgalerie für junge Kunst“ ausgezeichnet wurde, soll er sich nach New York abgesetzt haben – jedenfalls wurde er in Berlin nie wieder gesehen. Damit war zwar ein Zeichen für das Revival der Malerei gesetzt, doch weitere Auswirkungen auf den Kunstbetrieb hatte die Vergabe an Skreber nicht – keine größeren Ausstellungen, keinen Ankauf für die Berliner Museen, nichts. Schade eigentlich.

Offenbar hat man in Berlin aus dem Startfehler gelernt. Nicht dass nun nur mehr Berliner KünstlerInnen für die vier Namen umfassende „Shortlist“ ausgewählt worden wären, um den Charakter eines Hauptstadtevents zu stärken. Tatsächlich ist der Preis, der am 4. Juni erneut vergeben wird, offener, weniger trendgerichtet und international sehr viel anschlussfähiger angelegt als zuvor.

Das merkt man schon an der Künstlerliste: Mit Tacita Dean wurde eine in London und Berlin arbeitende Filmkünstlerin eingeladen, die 1998 für den britischen Turner Prize nominiert war; das auf Installationen spezialisierte Künstlerduo Michael Elmgreen & Ingar Dragset stammt aus Dänemark und Norwegen; der Maler Daniel Richter ist in Hamburg und Berlin zu Hause; und die Berliner Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn hatte vergangenes Jahr einen Lehrauftrag in Los Angeles und war mit ihrer letzten Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel zu sehen.

Diese Streuung ist vor allem der Jury zu verdanken, die Kunst weder geografisch noch an nationaler Identitätsstiftung festmacht, sondern als Spiegel der ökonomischen und kulturellen Vernetzung der Welt wahrnimmt. Künstler arbeiten dort, wo sie mit den Produktionsbedingungen klarkommen, egal ob in Paris, Stockholm, New York oder in Berlin, Köln und Frankfurt. Das spricht immer noch für eine dominierende Westbindung, aber zumindest das künstlerische Feld hat sich erweitert – von den 88 Vorschlägen der Vorauswahl waren fast ein Drittel ausländische KünstlerInnen.

Vor allem war der Jury und den Auslobern vom Verein der Freunde der Nationalgalerie wichtig, dass der Preis nicht einem kurzfristigen Hype auf dem Markt entspricht. Anders als vor zwei Jahren ist die Hälfte der Gewinnsumme von 50.000 Euro für Museumsankäufe vorgesehen, so dass Arbeiten auf Dauer institutionell eingebunden werden. Von dieser Entscheidung verspricht sich die Jury mehr „internationale Relevanz“, die als Ermutigung auf junge Künstler zurückwirken kann, ohne in wohl dosierte Nachwuchsförderung auszuufern. Weder will man mit den bundesweiten Fördertöpfen konkurrieren, noch soll der Preis in dem zu erwartenden Run auf die millionenschwere Bundeskulturstiftung untergehen.

Für Eigenständigkeit ist mit der Auswahl gesorgt. Im nächsten Schritt wird zudem eine neue Jury tagen – Wulf Herzogenrath von der Kunsthalle Bremen, der Pariser Kurator Hans Ulrich Obrist und Renate Wiehager, die die DaimlerChrysler-Sammlung betreut, haben ihren Job erledigt. Schwierig scheint nur die Berufung von Ingvild Goetz als neue Mitjurorin, die unter anderem Tacita Dean sammelt. Vielleicht hat aber auch Maria Eichhorn gute Chancen. Schließlich wird sie an der documenta XI teilnehmen, die eine Woche nach der Preisverleihung eröffnet.

HARALD FRICKE