Kampf gegen den kirchlichen Aggressor

Ein Gebet von Papst Johannes Paul II. mit Moskauer Katholiken via Fernsehen erregt die Vertreter der russischen Orthodoxie. Seit der Gründung von vier katholischen Diözesen in Russland sind die Beziehungen ohnehin angespannt

BERLIN taz ■ Alexij II., Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, protestierte am Wochenende gegen eine Fernsehbrücke, über welche sich Papst Johannes Paul II. am Samstagabend mit römisch-katholischen Gläubigen in Moskau im Gebet vereinigt hatte. Der Patriarch denunzierte den virtuellen Papstbesuch als „Invasion Russlands“ und verglich die Situation mit der Okkupation Moskaus durch die Polen im 17. Jahrhundert (in Anspielung auf Johannes Pauls Herkunft).

Hunderte von katholischen Gläubigen, teils mit Tränen in den Augen, hatten in der Moskauer Kathedrale der Unbefleckten Empfängnis der Life-Übertragung beigewohnt. Viele von ihnen fühlen sich bedroht. Seit die römisch-katholische Kirche am 11. Februar ihre vier Apostolischen Administrationen in Russland in vollwertige Diözesen umwandelte, wird sie von der russisch-orthodoxen Kirche praktisch boykottiert. Rund um die Uhr wettern orthodoxe Würdenträger im Fernsehen gegen die Katholiken. Am 22. Februar demonstrierten hunderte von orthodoxen Gläubigen mit Fahnen und Ikonen vor der Mission des Vatikans in Moskau. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie: „Verteidigt das heilige Russland“ gegen die neuen Aggressoren“.

Dabei ist äußerlich betrachtet nicht viel anderes passiert, als dass die vier katholischen Großgemeinden Moskau, Saratow, Novosibirsk und Irkutsk mitsamt ihrer geistlichen Führer neue Titel bekommen haben. Um Namensähnlichkeiten mit ihren orthodoxen Kollegen zu vermeiden, benannte der Vatikan seine Bischhöfe zudem nicht nach ihren Sitzen, sondern nach ihren Kirchen. Allen übergeordnet ist Pater Tadeusz Kondrusiewicz, neuerdings „Erzbischhof unserer Lieben Frau in Moskau“, also nicht etwa „von Moskau“.

Trotz alledem schäumte die orthodoxe Führung. „Die Gründung einer ekklesiastischen Provinz bedeutet ihrem Wesen nach die Gründung einer katholischen Kirche in Russland mit Zentrum in Moskau, die als ihre Herde das russische Volk betrachtet, welches kulturell, spirituell und historisch die Herde der russisch-orthodoxen Kirche ist“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Patriarchen Aleksij und des Heiligen Synod. Gleichzeitig deutet man an, dass eine Annäherung zwischen den beiden Kirchen in naher Zukunft jetzt ja wohl ausgeschlossen sei.

In die Röhre schauen muss nun auch Präsident Wladimir Putin, von dem es heißt, er hätte einen Papstbesuch in Moskau nur zu gern gesehen. Johannes Paul II. begrub für sich selbst diese Hoffnung offenbar bereits im vorigen Jahr, da seine Visite in der benachbarten Ukraine vom Moskauer Patriarchat als grober Affront gewertet wurde.

Dabei machen die von der orthodoxe Kirche beeinflussten russischen Gesetze anderen christlichen Gemeinden das Leben ohnehin nicht leicht. Die meisten Katholiken in Russland sind polnischer, deutscher oder litauischer Herkunft und haben sich Priester aus den Ländern ihrer Vorfahren eingeladen. Zwei der vier neuen katholischen Bischhöfe haben noch immer keine permanente Aufenthaltserlaubnis, weil eine religiöse Betätigung nicht als der dafür nachzuweisende Arbeitsplatz anerkannt wird. Obwohl Erzbischof Kondrusiewicz beteuert, seine Kirche missioniere in Russland nicht, fürchtet die orthodoxe Kirche Konversionen ihrer Schäfchen zum Katholizismus wie der Teufel das Weihwasser.

In Russland gibt es 600.000 römisch-katholische Christen. Zwei Drittel der 150 Millionen Bürger der russischen Föderation bezeichnen sich dagegen als orthodox, aber nach Umfragen praktizieren nur ein bis vier Prozent von ihnen ihren Glauben. Von den 22.000 Gemeinden der russisch-orthodoxen Kirche befindet sich nur die Hälfte in Russland, die übrigen sind in aller Welt verstreut, zum Beispiel auch in London und Paris, wo es russisch-orthodoxe Diözesen gibt. Befragt nach deren Existenzberechtigung auf so traditionell fremdgläubigem Boden antwortet vorsichtig Vater Michail Diwakow, Pfarrer an der russisch-orthodoxen Kathedrale in Berlin: „Wissen Sie, in diese Länder sind russische Menschen emigriert. Sie haben ihren Glauben mitgebracht – für sich, nicht für andere.“ BARBARA KERNECK