Selbstschutz für die Wirtschaft

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel fordert das Ende der „Risikospirale“ und die Zivilisierung der New Economy durch den Staat

In wenigen Tagen, am 10. März, hat die „New Economy“ Geburtstag. Denn vor fünf Jahren bekamen die Betriebe, die die neue Telekommunikation, vor allem jedoch das Internet vorantrieben, ein eigenes Segment an der Frankfurter Börse: den „Neuen Markt“. Zeit also für den Bremer Ökonomen Rudolf Hickel, in seinem Buch „Risikospirale“ das Phänomen, das die Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre bestimmte, zu analysieren und zu kritisieren.

Die Börsenreform vom März 1997 interpretiert Hickel als Ausdruck einer wesentlichen Veränderung: Stärker als zuvor habe sich die Realwirtschaft fortan auf die Finanzierung über den Aktienmarkt gestützt. Deshalb gewann der New-Economy-Boom, eine der größten Spekulationsblasen der Wirtschaftsgeschichte, erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Firmen, die Konjunktur und das Verhalten der Bevölkerung. Jeder dachte plötzlich, er könne mit Aktienspekulationen reich werden – eine teure Illusion, wie sich ab Mitte 2000 erwies. Seitdem haben viele der einst gefeierten Firmen Konkurs angemeldet, und die Frankfurter Börse überlegt, ob sie nicht den gesamten Neuen Markt liquidieren sollte.

Das alles verwendet Rudolf Hickel als Beleg für seine These, dass die Neue Ökonomie nicht zu vermehrtem Wohlstand und größerer wirtschaftlicher Stabilität geführt habe – im Gegenteil. Hickel wäre nicht Hickel, wenn er nicht forderte, dass der Staat derartigen Auswüchsen durch einen stärkeren Eingriff in die Ökonomie entgegenwirken solle. Als Mitglied der Memorandum-Gruppe, die die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung alljährlich als zu marktkonform kritisiert, plädiert der linke Ökonom für einen neuen „Gesellschaftsvertrag“: „Die Wirtschaft muss vor ihrer inneren Tendenz zur Selbstvernichtung geschützt werden.“

Diesen Gegenentwurf – auch ein Alternativ-Modell zur neoliberalen Doktrin – dekliniert Hickel durch. Seiner Ansicht nach muss etwa das Bundesamt für Finanzmarktaufsicht das Recht bekommen, empfindliche Bußgelder gegen Vorstände von Aktiengesellschaften zu verhängen. So sollen die Manager veranlasst werden, etwas pfleglicher mit dem Kapital umzugehen, das auch Kleinaktionäre ihnen zur Verfügung stellen.

„Die Risikospirale“ ist ein Buch, bei dessen Lektüre man einiges lernen kann: Rudolf Hickel präsentiert nicht nur eine Krankengeschichte, sondern empfiehlt eine wirksame Medizin. Würde sie angewendet, trüge das zur Erholung des Patienten erheblich bei. HANNES KOCH

Rudolf Hickel: „Die Risikospirale. Was bleibt von der New Economy?“, 192 S., Campus, Frankfurt a. M. 2001, 19,90 €