Hamburger Frauen fertig beraten

Die Hansestadt fällt frauenpolitisch um Jahrzehnte zurück: Die neue Frauensenatorin Schnieber-Jastram will nur noch „Vater-Mutter-Kind“-Familien fördern. Alle Beratungsprojekte büßen Mittel ein. Wer geht morgen zum 8.-März-Empfang ins Rathaus?

aus Hamburg KAIJA KUTTER

Jetzt zeigt sich, wer die eigentlichen Verlierer der Hamburger Wahl vom vergangen Herbst sind: die sozialen Initiativen dieser Stadt – von Aids- bis hin zu Frauenprojekten. Der Hamburger Senat aus CDU, FDP und Schill-Partei, der hier keine Wählerklientel zu verlieren hat, betreibt Kürzungspolitik mit der Brechstange. Wen es trifft, erfahren viele erst aus der Zeitung.

So widerfuhr es Ende Januar den Hamburger Frauenprojekten. Via Presse teilte die neue CDU-Familiensenatorin Birgit Schnieber-Jastram mit, dass sie „neue Akzente“ setzen und den fünf Hamburger Frauenberatungsstellen 40 Prozent ihrer Zuwendungen streichen wird, um „anderswo Handlungsmöglichkeiten zu erhalten“.

Auch die Kontaktstelle für feministische Mädchenarbeit soll es nicht mehr geben, fünf Beratungsstellen für Opfer sexueller Misshandlung sollen künftig mit einem Zehntel weniger auskommen. Das Frauenbildungszentrum „Denkträume“ muss sein Kursangebot einstellen. Die sechs Hamburger Frauenhäuser, die jährlich rund 1.800 Frauen Schutz vor gewalttätigen Partnern bieten, müssen ebenfalls auf ein Zehntel ihres Salärs verzichten. Dass das Hamburger „JungLesben-Zentrum“ ebenfalls halbiert wird, kann da schon gar nicht mehr verwundern.

„Grundsätzlich kommen alle Zuwendungsempfänger auf den Prüfstand“, lautet das Motto der neuen Senatorin. „Frau sein an sich ist kein Grund, zu einer Beratung zu gehen“, verkündete sie. Eben weil sie gute Arbeit geleistet haben, seien Frauenprojekte in ihrer bisherigen Form nicht mehr nötig. Stattdessen will die CDU-Frau die Familien stärken und Frauen darin unterstützen, „Beruf und Familie zu vereinbaren“. Auf die Frage, was sie unter Familie verstehe, antwortete sie in der Hamburger Bürgerschaft: „Zur Familie gehören Vater, Mutter und Kind.“

Abgesehen davon, dass Schnieber-Jastrams neue Doktrin kränkend für Kinderlose und Alleinerziehende ist, verfehlt sie auch ihr Ziel. Die Hamburger Frauenberatungsstellen – auf fünf Bezirke verteilt – beraten zu zwei Dritteln Mütter mit Kindern. Das Angebot der Frauenprojekte, statt Kürzungen ein Konzept für einen Umbau des Hilfssystems zu erarbeiten, wurde vom Senat bisher ignoriert.

Es gebe, so behauptete Schnieber-Jastram im Rathaus, in Hamburg „allein 60 Beratungsstellen, die ausschließlich für Frauen offen sind“. Doch das Bild von der üppigen Beratungslandschaft trügt. Tatsächlich hat das Hamburger „Senatsamt für Gleichstellung“ ein Heft „Rat und Hilfe für Frauen“ herausgegeben, das 60 Angebote „von Frauen für Frauen“ mit einem „F“ kennzeichnet. Darunter befinden sich aber auch Kampfsportkurse, Firmen und Gastronomiebetriebe. Lebensberatung bieten nur die gekürzten Stellen.

Das Vorgehen der Senatorin blieb nicht ohne Protest. Den Anfang machte Hamburgs evangelische Bischöfin Maria Jepsen, die der Senatorin entgegnete: „Es wäre schön, wenn Frauen in allem dieselben Möglichkeiten haben wie Männer, aber das ist nicht so, trotz aller Gesetze, Verlautbarungen und guter Vorsätze.“ Dem folgte ein Protestaufruf prominenter Hamburgerinnen, der auch von Schauspielerinnen wie Gerda Gmelin und Heidi Kabel unterzeichnet wurde. Vergangenen Dienstag blockierten hundert Frauen stundenlang die Sitzung des Haushaltsausschusses, in dem die Einsparungen verlesen werden sollten.

Am morgigen 8. März hat die Senatorin zum Empfang ins Rathaus geladen. Über 200 Frauen drängten sich am Dienstagabend im Stadtteilzentrum „Haus 3“, um die Aktionen für diesen Tag zu beraten. Dass es eine „FrauenLesben-Demo“ zum Rathausmarkt geben wird, ist klar. Offen ist, ob eingeladene Frauen mit der Senatorin plauschen wollen oder nicht. „Wir haben Krieg mit diesem Senat!“, formuliert eine Frau aus dem Plemun. Andere wollen die Chance zum Dialog noch mal nutzen. „Es wurden diesmal fast nur Frauen aus dem konservativen Lager eingeladen“, erwidert eine betroffene Projektfrau: „Ich kann mir vorstellen, dass die von den Kürzungen gar nichts wissen.“