Grabscher in Mekka

„Ich heiße Mirza. Steht in meinem Pilotenschein“: Über den Spaß, als Muslimin Comedy zu machen

Interview RALF SOTSCHECK

taz: Frau Mirza, Sie beten täglich, Sie waren zwei Mal in Mekka, Sie essen kein Schweinefleisch, aber Sie leben in England und arbeiten als Komikerin. Lässt sich das unter einen Hut bringen?

Shazia Mirza: Es ist schwierig. Der Islam kann beengend sein. Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich gehe in keine Diskotheken. Meine Freunde tun das alles, sie führen ein anderes Leben als ich. Meine Eltern kamen in den Sechzigerjahren aus Pakistan nach England, ich wurde orthodox erzogen. Von klein auf wurde mir beigebracht, dass es eine Welt für Frauen gibt und eine ganz andere für Männer. Ich durfte nicht auf Schulausflüge mit, ich durfte nicht alleine weggehen, ich durfte nicht mit Jungen reden. Mein Vater sagte stets zu meiner Mutter: „Du musst deine Tochter in der Küche trainieren.“

Warum haben Sie den sicheren Job als Biochemikerin aufgegeben und sich auf das unsichere Geschäft mit der Komik eingelassen?

Mir wurde klar, dass ich mein Leben nicht für jemand anderes, nämlich meinen Vater, leben konnte. So habe ich heimlich abends Schauspielunterricht genommen. Im Januar 2000 habe ich einen Workshop für Komiker besucht und begann, in Clubs aufzutreten. Meine Eltern wussten davon nichts. Doch voriges Jahr gewann ich den ersten Preis beim London Comedy Festival. Der Preis war ein Auftritt im Londoner Palladium vor 3.000 Menschen. Da musste ich es meinen Eltern beichten. Ich lud sie ins Palladium ein. Mein Vater kam natürlich nicht, doch meine Mutter war da. Sie sagte danach, sie sei stolz auf mich, aber im Grunde macht sie sich Sorgen, weil ich schon 26 und noch nicht verheiratet bin. Und manchmal gerate ich selber darüber in Panik.

Die britische Art von Comedy ist etwas für weiße junge Männer in verrauchten Clubs. Genau dort vermutet man am ehesten rassistische Tendenzen.

Genau diese weißen jungen Männer mögen meine Show am meisten. Es geht darum, die Islamphobie in Britannien abzubauen. Es gibt so viele Vorurteile, aber niemand weiß, wie es ist, als muslimische Frau in England zu leben. Ich bin sehr sarkastisch. Ich erzähle aus dem Leben. Deshalb habe ich in diesen Clubs Erfolg.

Vor muslimischem Publikum erzählen Sie, wie Sie in Mekka waren und plötzlich eine Hand auf Ihrem Hintern spürten. Da es Mekka war, sagten Sie, müsse es sich wohl um die Hand Gottes handeln.

Das ist ja auch schief gegangen. Bei meiner Show in der Brick Lane in London vor ausschließlich bengalischem Publikum sprangen drei Männer auf, beschimpften mich, dass ich eine Schande für meine Religion sei, und einer ging mir an die Gurgel. Ich bin danach zwei Wochen nicht mehr aufgetreten, doch dann wurde mir klar, dass es den Männern gar nicht um ihre Religion ging. Männer fürchten den Tag, an dem sie nicht mehr die Oberhand haben.

Einnern Sie sich an Ihren ersten Auftritt?

Wie könnte ich den vergessen. Es war in Brixton, am 1. September 2000. 1 Uhr nachts, alle waren besoffen, ich hatte kein Mikrofon. Ich fragte mich, was ich hier eigentlich mache? Ich sagte ein paar Sätze, die Leute lachten. Und dann hörten sie mir zu, ich konnte es kaum glauben. Ich wusste plötzlich: Das ist es. Das will ich aus meinem Leben machen.

Haben Sie Vorbilder?

Madonna und Margaret Thatcher. Madonna finde ich toll, und Margaret Thatcher bewundere ich, weil sie die erste Frau in einer Machtposition war.

Das ist ja grauenhaft. Sie hat doch keine Frauenpolitik gemacht, sondern ihre Machtposition zum Schaden von Schwächeren und letztlich auch Frauen ausgenutzt.

Ja, natürlich, ihre Politik war furchtbar. Aber sie hat es in einer Männerwelt geschafft, und ich bin in der gleichen Position. Ich muss mich auch in der Männerwelt der Comedy durchsetzen. Ich will eine eigene Fernsehshow und ich will es auch in den USA schaffen. Wenn ich dort gehört werde, werde ich überall gehört?

Welche Geschichte erzählen Sie auf der Bühne am liebsten?

Seit dem 11. September leite ich meine Auftritte immer so ein: „Guten Tag, ich heiße Shazia Mirza. Jedenfalls steht das in meinem Pilotenschein.“

Shazia Mirza, 26, aus Birmingham ist die einzige muslimische Komikerin Britanniens