kollateralkameraden
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von WIGLAF DROSTE

In Afghanistan ist geschehen, womit zu rechnen war: Nicht nur die anderen kommen ums Leben, auch Deutsche trifft es. Drei dänische und zwei deutsche Soldaten starben, als sie versuchten, eine Rakete zu entschärfen. Für die Dänen hat sich die deutsche Soldatenpresse weniger interessiert, von den Deutschen weiß man: Sie wurden befördert: vom Leben zum Tode, vom gemeinen Mann zum Helden. „Unsere Helden! Heimkehr in Särgen“, titelte das Springer-Blatt B.Z. am 10. März; ein großes Farbfoto zeigte eine Deutschlandfahne mit Kriegsadler, die um einen Sarg gewickelt war, und gut drei Dutzend Kampfuniformierte mit ernstgedrillten Gesichtern. Auf Seite drei wurden Blut und Seife ausgegossen: „Ein einzelner Trompeter spielte das Lied ‚Ich hatte einen Kameraden’. 1.200 Soldaten standen stramm im strömenden Regen. Zwei von ihnen brachen während der Feier zusammen.“ So ist das Wort Kollateralschaden auch beim deutschen Soldaten angekommen: Die Entwicklung vom Kameraden zum Kollateralkameraden vollzieht sich mitunter militärisch flott.

Der Kommandeur von Leuten, die im Tode Helden sein müssen, damit man nicht fragt, was sie im Leben waren, heißt Carl-Hubertus von Butler und redet auch so: „Sie sind hier gewesen, um dem Frieden zu dienen und das Zusammenleben der Völker zu fördern. Dafür haben sie das Wertvollste gegeben, was sie besitzen – ihr Leben.“ Der erste Halbsatz stimmt sogar: „Sie sind hier gewesen.“ Alles andere ist Casino und Kapelle. Die Soldaten gaben ihr Leben nicht, es wurde ihnen genommen. Sie besaßen ihr Leben auch nicht – sie hatten es vorher verkauft beziehungsweise auf Zeit vermietet, gegen Sold, wie Söldner das nun einmal tun. Für die Bereitschaft, anderen das Leben zu nehmen und dabei auch das eigene zu riskieren, gibt es Zulagen. Zwei deutsche Soldaten haben einen Arbeitsunfall erlitten und können die Prämie nicht mehr kassieren. Wer darüber in Tränen ausbrechen will, mag das tun. „Unsere Helden“? Meine nicht. Das Bedürfnis, Helden wenigstens publizistisch zu zeugen, offenbart den dringenden Wunsch nach noch mehr Leichen. Lebende Helden gibt es ja kaum – wer Helden will, den verlangt es nach Toten. Und wenn die Heldenfriedhofswärter sich selbst zu Helden machten? Der B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron bettelt geradezu um ein schwarz-rot-goldenes letztes Lätzchen. Auch sein Vorgänger, der heutige Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner, gegen dessen Prosa allenfalls ein spermizides Mittel hülfe, hat dringenden Heldenbedarf angemeldet. Die Prominentenfriseure dieser Welt werden ihn vermissen.

Der Propagandazwerg Henryk M. Broder dagegen spricht nicht plump von Helden – er beschimpft bloß jeden, der kein Held werden möchte, als Feigling und hofft, auf diese Weise den einen oder anderen doch zur Mordbereitschaft drangsalieren zu können. So erhöht er die eigene statistische Chance, vom Fernsehsessel aus täglich zusehen zu können, wie aus einem Feigling ein Held wird, ein Kollateralkamerad, von dem die anderen dann singen, sie hätten ihn gehabt und einen besser’n nicht gefunden.