Gute Taten, schlechte Gründe

In „Wir müssen zusammenhalten“ liebt Regisseur Jan Hřebejk den Antihelden

Helden sind im Allgemeinen und speziell im Kino weit weniger beliebt, als man denkt. Viel populärer sind dagegen die Antihelden. Einer wie Josef Čížek zum Beispiel. Ausgemustert wegen eines kaputten Beins liegt er 1943 zu Hause auf dem Sofa und grummelt seine Frau an, während ringsumher Europa in Flammen steht. Als anständiger tschechischer Patriot ist er froh, wenn sein sudetendeutscher Freund Horst schnell aufbricht, nachdem er Würste vorbeigebracht hat. Doch er lässt für die begehrte Ware bereitwillig einen euphorischen Vortrag über den Vormarsch der Deutschen über sich ergehen. So ist es halt beschaffen, das Antiheldentum: Das Herz auf dem rechten Fleck ist einem immer noch das Hemd näher als die Hose beziehungsweise das Überleben wichtiger als große Gesten wie Aufbegehren und Widerstand. Schließlich kennt man die eigene Bedeutungslosigkeit. Und ist es nicht gerade diese existenzielle Bescheidenheit, die den Antihelden so viel sympathischer erscheinen lässt als sein todesmutiges Gegenstück?

„Wir müssen zusammenhalten“ handelt vom Überleben in schweren Zeiten und ist deshalb mehr Komödie als Tragödie, wobei sich das so richtig erst in den letzten fünf Minuten entscheidet. Davor kann immer noch alles ganz anders kommen. Denn Josefs geruhsames Leben inmitten des Zweiten Weltkrieges wird gestört, als er eines Nachts beim Vollbringen einer halbwegs mutigen Tat unversehens in die Lage kommt, eine noch weit mutigere auf sich zu nehmen. Beim Versuch, den Familienschmuck seines ehemaligen jüdischen Arbeitgebers vor den deutschen Besatzern zu retten, trifft er in der verlassenen Villa auf dessen Sohn David, der es geschafft hat, aus Theresienstadt zu fliehen. Er nimmt ihn mit zu sich nach Hause und macht sich dabei vor Angst ganz buchstäblich in die Hose. Ganz gegen ihr kleinbürgerliches Sicherheitsbedürfnis beschließen Josef und seine Frau Marie, David in ihrer Speisekammer zu verstecken. Damit ist natürlich nichts mehr, wie es vorher war, obwohl es nun ganz besonders darauf ankommt, alles genau so erscheinen zu lassen.

In seinen stärksten Momenten legt „Wir müssen zusammenhalten“ nicht nur packend die komisch-absurde Mechanik des Überlebens bloß, sondern behandelt in seiner fast abgründigen Konstruktion den gar nicht so leicht zu durchschauenden Zusammenhang von guten Taten und den oft schlechten Gründen, aus denen man sie begeht. Da sind zum Beispiel die stolzen Nachbarn Šimáček, die die Straßenseite wechseln, um dem vermeintlichen Mitläufer Josef auszuweichen. Nach Kriegsende lässt sich Herr Šimáček als Widerstandskämpfer ehren und hat doch einst den flüchtigen David an die Deutschen verraten wollen – aus Angst um sich und seine Kinder. Auch aus ehrbaren Gründen kann man zum Verräter werden.

Vor allem aber ist da Horst, sozusagen der Anti-Antiheld dieser Geschichte. Die ersten Szenen aus der Vorkriegszeit zeigen ihn als den verlachten Außenseiter, sehr bald aber fühlt er sich der ungeliebte Deutsche zum Sieger der Geschichte erhoben. Obwohl er durch seine Zudringlichkeit den Čížeks zur Belastung wird, tritt er doch mehrfach als ihr Retter auf – ohne dass man ihn dafür würdigen mag. Horst bleibt auch bei seinen besten Taten ein schmieriger Kerl mit zweideutigem Interessen, dessen Anpassungsleistungen – er erteilt Josef doppelbödige Lektionen in Unterwürfigkeit – manchmal sogar subversiv wirken . Das titelgebende „Wir müssen zusammenhalten“ ist jedoch sein Wahlspruch, und die Geschichte zeigt schließlich, wie ernst es ihm damit ist und wie auch wenig ehrbare Absichten noch Gutes hervorbringen können.

Bereits in „Pelíšky“, mit dem Regisseur Jan Hřebejk vor zwei Jahren einen überraschenden Publikumshit in Tschechien landete, ging es um kleine Leute im Schatten großer Ereignisse, um zwei „ganz normale“ Familien im August 1968. Es muss etwas am tschechischen Nationalgefühl treffen, wenn man sie als kleines Volk von bodenständigen Antihelden beschreibt. Aber die lieben wir ja schließlich alle.

BARBARA SCHWEIZERHOF

„Wir müssen zusammenhalten“. Regie: Jan Hřebejk. Mit Boleslav Polívka, Anna Šišková, Jaroslav Dušek u. a. Tschechien 2001, 124 Min.