Glaube, Liebe, Parapsychologie

Die Thriller „Im Zeichen der Libelle“ und „The Mothman Prophecies – Tödliche Visionen“ setzen sich an die Grenze von Diesseits und Jenseits und proben dort „X-Files“-Spiritualität – mit so viel Ernst und Pathos, dass sie überholten Darstellungsmodellen zur Wiederauferstehung verhelfen

von MANFRED HERMES

Wer mit dem Auto um die Ecke zum Kiosk fahren will und tausend Kilometer vom Ziel entfernt eintrifft, der hat allen Grund, gängige Annahmen über die Wirklichkeit in Zweifel zu ziehen. Im Gefolge von „Sixth Sense“ und einer „X-Files“-Spiritualität haben sich gleich zwei Thriller aufgemacht, hinter das Jenseits der Vorstellungskraft zu blicken, um dort nach Verwertungsmöglichkeiten für ihre alternden Zugpferde zu suchen. Es wird einem nicht schwer gemacht, die offensichtlichen und beabsichtigten double features der beiden Filme zu bemerken.

In „The Mothman Prophecies“ stirbt eine von John Klein (Richard Gere) sehr geliebte Frau an den Folgen eines nächtlichen Autounfalls. Auf dem Sterbebett hat sie zuvor Notizbücher mit wilden Zeichnungen gefüllt. Als wiederkehrendes Motiv erfüllt Klein eine flächendeckende, dunkle Gestalt mit Grauen, eine Kette nächtlicher Erscheinungen laugt ihn aus. Eine Geschäftsreise bringt ihn in die eingangs geschilderte Situation, nach Point Pleasent, wo es kaum noch jemanden gibt, der nicht über ähnliche Erfahrungen verfügt. Klein ist Topjournalist, und deshalb bleibt er an der Story dran.

In „Im Zeichen der Libelle“ stirbt eine von Joe Darrow (Kevin Costner) sehr geliebte Frau an den Folgen eines Busunfalls im Ausland und bei Tag. Darrow ist Chef der Notaufnahme in einem Krankenhaus, und auch hier wird viel gezeichnet, es häufen sich Darstellungen verwackelter Kreuze. Schreie und Stimmen, die nur Darrow hören kann, erhöhen die übersinnliche Dringlichkeit. Seine Umgebung hält ihn für traumatisiert und geht auf Distanz. Also muss er sich die Wahrheit allein zusammensuchen, in den Urwäldern von Venezuela, wo ein spezifischer Erlebnisdrang auf die Wahrheit der Naturvölker trifft.

Spiritualität heißt hier, so sehr bereit zu sein, die einfachen Sichtbarkeiten und gesellschaftlichen Vereinbarungen für irrelevant zu halten, dem Instinkt zu vertrauen und an die Aussagekraft des Wetters, der Tiere und der wehenden Gardinen zu glauben, bis es schräg und beklemmend wird. „Mothman“ und „Libelle“ hängen die Latte besonders hoch, indem sie Säulen der Gesellschaft wie den Topjournalisten und den Chef der Notaufnahme heranziehen, um deren berufsbedingte Rationalität effektvoll anzukratzen. Wenn sich das Schickal per Mobiltelefon meldet, dann sorgt das nicht nur für eine gotische Stimmung, sondern wird auch als Herausforderung betrachtet.

Die Bereitschaft, Parapsychologie als Tatsache anzuerkennen, ist also sehr ausgeprägt und bekommt in diesen beiden Filmen eine religiöse Dimension. „Mothman“ schlägt vor, dass man hinnehmen muss, was man nicht erklären kann. Noch pragmatischer geht es „Libelle“ an, der sich bei Naturreligionen und beim Katholizismus absichert und dann Linda Hunt als Nonne in kongenialer Allmachtsfantasie sagen lässt: „Wenn wir diese Welt gestalten können, dann auch die andere.“ So setzen sich diese Filme an die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits, um von dort den Blick auf beide Welten zu genießen.

Das geschieht mit so viel Pathos und Ernst, dass es fast natürlich wirkt, wie im Diesseits alte Darstellungsmodelle zu neuen Ehren kommen. Es ist die Rolle, die die Frauen spielen, die Beschwörung der Familie (im Zustand ihres Verlusts), die gespenstisch wirken. Über den jäh verstorbenen und innig geliebten Frauen wird ein Sinn errichtet, und sei es auch nur der, der weichen Neutralität von Richard Gere und der kernigen Langeweile von Kevin Costner zum großen Auftritt zu verhelfen. Nebenbei wird übrigens die in letzter Zeit vernachlässigte Praxis erneuert, Frauen Mitte dreißig mit Männern Ende fünfzig zu liieren.

Filme dieses Genres sollten eigentlich vom schmalen Raum zwischen Fantastik, Unglaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit leben. „The Mothman Prophecies“ und „Im Zeichen der Libelle“ zocken Themen, Motive und Stimmungen ab, bieten die Schrecken des Buhmanns und die vom Schwarzlicht der Gegenaufklärung kontaminierten Atmosphären auf, um die Allerweltsweisheit zu vertreten, dass der Verlust die Basis des Aufstiegs auf eine höhere Stufe ist. Im Ergebnis ist das eher schmuddelig als spannend und selbst als Trailer noch zu lang.

„Im Zeichen der Libelle“. Regie: Tom Shadyac. Mit Kevin Costner, Linda Hunt, Kathy Bates u. a., USA 2001, 110 Min. „The Mothman Prophecies – Tödliche Visionen“. Regie: Mark Pellington.Mit Richard Gere, Laura Linney, Will Patton u. a., USA 2001, 119 Min.Start: 25. April