daniela böhle über Alltag
: Guten Tag, Sie können nichts für mich tun

Die allgemeine Bearbeitungsdauer eines Antrags durch die Anzahl der Beschwerdeanrufe ergibt die Servicequalität

„Guten Tag, hier spricht Caroline Schifferer“, zwitscherte die Frau am anderen Ende der Telekom-Hotline. „Was kann ich für Sie tun?“

„Guten Tag“, sagte ich. „Ich habe einen Antrag auf Aufschlüsselung der Einzelverbindungen gestellt, und jetzt ist in der neuen Rechnung davon nichts zu sehen.“

„Aha, einen Antrag auf Aufschlüsselung der Einzelverbindungen“, antwortete sie. Ich habe es fast in ihrem Kopf rattern gehört. Was war das noch gleich, was war das doch gleich? Egal! „Wann haben Sie denn den Antrag gestellt?“

„Das ist ein paar Wochen her.“

„Und wie viele Wochen?“ fragte sie.

„Weiß ich nicht, mehrere Wochen eben“, sagte ich.

„Na, dann ist der Antrag noch nicht bearbeitet“, meinte sie. Damit hätte sie mich loswerden können. „Wie lange brauchen Sie denn zur Bearbeitung?“, fragte ich stattdessen.

„Wann haben Sie denn den Antrag abgeschickt?“, wiederholte sie.

„Was hat das damit zu tun?“

„Na, es kommt doch drauf an, wann Sie den Antrag abgeschickt haben!“

Langsam sagte ich: „Aber wie lange brauchen Sie denn im Allgemeinen?“

„Wieso denn im Allgemeinen?“, fragte sie verwirrt. „Haben Sie denn keinen Antrag abgeschickt?“

So kam ich nicht weiter. „Können Sie feststellen, ob der Antrag eingegangen ist und demnächst bearbeitet wird?“

„Wo haben Sie den Antrag denn hingeschickt?“

„Der Umschlag war ein Vordruck. Ich habe ihn nur frankiert und abgeschickt.“

„Sie haben keine Adresse draufgeschrieben?“, fragte sie ungläubig.

„Nein, da war schon eine Adresse draufgedruckt.“

„Und was für eine Adresse?“

„Die Adresse, an die solche Anträge immer geschickt werden. Das müssen Sie doch wissen!“

Ungeduldig sagte sie: „Woher soll ich denn wissen, wohin Sie Ihre Briefe schicken? Und wann Sie den Brief abgeschickt haben, soll ich wohl auch für Sie wissen!“

An diesem Punkt habe ich den Hörer auf die Gabel geknallt.

Vor einer Weile sagte meine Freundin Eva, man solle sich bei Beschwerdeanrufen die Namen von den Leuten geben lassen, dann könne man sich später auf etwas beziehen. Diesmal sagte meine Freundin Eva, dass das nicht mehr funktioniere. Das Problem seien die Callcenter.

„Callcenter sind Häuser“, meinte Eva, „die sind voll gestopft mit Profitelefonierern. Du erkennst sie daran, dass die sich ganz toll am Telefon melden können.“ Stimmt, das war mir auch schon aufgefallen. Die sind rasend gut gelaunt und singen in den Hörer, Guten Tag, hier spricht XY, was kann ich für Sie tun? Wäre an dieser Stelle das Telefonat zu Ende, wäre man durchaus beschwingt.

Leider hat es zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal angefangen, und das Ende ist meist ungut. Eva erklärte mir auch das. Sämtliche Firmen, deren Produkte Fehler haben können, übertragen die Schadensbearbeitung an Callcenter. Und die kennen sich einfach nicht aus.

„Aber warum stellen sie denn keine Leute ein, die sich auskennen?“, fragte ich. Das wusste Eva auch: „Weil ein Callcenter nie nur für eine Firma arbeitet, sondern für viele gleichzeitig. Bei einer Firma allein gehen gar nicht genug Beschwerden ein, als dass sich eigene Profitelefonierer lohnen würden. Die arbeiten also gleichzeitig für die Telekom, für irgendeinen Baumarkt und für zwei Autohersteller. Dass die sich da nicht mit jedem Kleinscheiß auskennen können, ist doch klar.“ Und ich hatte Caroline Schifferer auf einen Einzelverbindungsnachweis angesprochen! Die hat wahrscheinlich bis zum Schluss nicht einmal gewusst, welche Firma ich eigentlich angerufen hatte.

Ich war froh, dass ich sie nicht beleidigt hatte. Eva winkte ab. „Das sind die gewöhnt“, sagte sie. „Die werden ja am Ende immer beschimpft. Deshalb benutzen sie auch andere Namen.“

„Wie bitte?“, fragte ich wieder. „Na ja“, sagte Eva, „wenn am Ende jemand sagt: ‚Fick dich ins Knie, Marion Müller!‘, dann macht’s nicht so viel aus, wenn es nicht der eigene Name ist. Die Leute im Callcenter nehmen sich morgens einen Namenszettel von der Pinnwand, und mit diesem Namen melden sie sich dann den Tag über.“

Gestern rief ich dann bei der Postbank an.

„Guten Tag, Sie sprechen mit Michael Reiter, was kann ich für Sie tun?“

„Reden Sie keinen Scheiß, das ist doch gar nicht Ihr richtiger Name!“, habe ich gerufen, „und helfen können Sie mir doch gar nicht, selbst wenn Sie’s wollten!“ Daraufhin hat er aufgelegt.

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