Kein Stein weiter zur Schlossfassade

Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ legt ihren Abschlussbericht vor. Die Zukunft des Schlossplatzes bleibt dennoch unklar: Das Gremium empfiehlt die Rekonstruktion des barocken Baus. Bund und Land wollen moderne Architektur

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ohne Empörungsspektakel geht in Berlin nichts mehr: Auf dem Schlossplatz, dem Objekt der Begierde, demonstrierte die „Kompagnie gegen den Neubau des Berliner Stadtschlosses“ mit Musik und einem Happening gegen die Rekonstruktion des 1950 gesprengten Barockbaus. Gleich daneben skandierten ihre Gegner: „Für den sofortigen Wiederaufbau des Schlosses“. Und im benachbarten Staatsratsgebäude, Ort und Ursache der beiden Aufzüge, brachen ebenfalls die gleichen alten Fronten auf: Dort überreichte die Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ nach über einem Jahr intensiver Arbeit gestern ihren Abschlussbericht an Bundesbauminister Kurt Bodewig und den Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (beide SPD).

Die internationale Expertenkommission unter dem Vorsitz des Europapolitikers und Architekten Hannes Swoboda (Wien) hat mit ihren Empfehlungen für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses in barocken Fassaden am Mittwoch eine klare Vorgabe für den Bund und das Land Berlin gegeben. Ein Ende der seit 12 Jahre dauernden Debatte über das Für und Wider historischer oder moderner Architektur in der Mitte Berlins ist damit allerdings nicht gefallen. Offen bleibt auch ein Zeitplan zum Bau eines Gebäudes sowie das Konzept für eine Finanzierung der rund 600 Millionen Euro teuren Investition. Also wofür die Aufregung?

Nach Meinung von Swoboda bildet die Empfehlung des 17-köpfigen Gremiums, das vom Land Berlin und dem Bund installiert worden war, „eine Orientierungsgrundlage, auf der die Politk nun entscheiden muss“. Einfach werden es Bodewig und Wowereit beim möglichen Nutzungskonzept haben, das auf breiten Konsens stößt. Danach soll in dem Gebäude eine Kombination mit einem Museum für außereuropäische Kunst und Sammlungen der Humboldt-Universität, einer Bibliothek und einem Veranstaltungsbereich untergebracht werden. Klar ist nach Auffassung aller Beteiligten auch, dass das kommende so genannten „Humboldt-Forum“ in den städtebaulichen Maßen des einstigen Schlossplatzes realisiert werden muss und damit den Abriss des Palastes der Republik besiegelt. Schließlich wird es zu dem Votum der Expertenrunde kaum Widerspruch geben, dass der Standort in der Mitte von Stadt und Staat kein privater, sondern ein „öffentlicher und lebendiger Raum“ werden muss, so Wowereit.

Dass es dorthin ein langer Weg werden wird, machten die Politker aber gestern auch klar: Die Architektur- und Finanzierungskonzepte, so Wowereit und Bodewig, kommen auf den Prüfstand. Mit dem nächsten Schritt, einem Architekturwettbewerb rechnen Bund und Land nicht vor Jahresfrist. Und wie der aussehen soll, ist ebefalls offen, haben sich doch Land und Bund von einer barocken Schlossfassade längst distanziert. Sie wollen, wie Wowereit und Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin fordern, der „modernen Architektur“ am Schlossplatz eine Chance geben. Es bleibt weiter Zeit für Empörungsspektakel.