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: Impfen oder nicht impfen?

Masern

Man muss kein Prophet und auch kein Franke sein, um zu behaupten, dass in Coburg der sprichwörtliche Hund begraben liegt. In den letzten Wochen war das anders: Im Landkreis Coburg grassiert seit November eine Masernepidemie mit bislang über 1.100 Erkrankungen.

Das ist insofern erstaunlich, als dass es eine Impfung gegen Masern gibt. Seit Jahren werden Empfehlungen dahin gehend ausgesprochen, Kinder ab dem ersten Lebensjahr gegen Masern (sowie Mumps und Röteln) zu impfen; bis 2007 will die Weltgesundheitsorganisation die Masern in Europa gar ausgerottet haben.

Andererseits gibt es in Deutschland immer wieder kleinere und, wie jetzt in Coburg, auch größere Epidemien. 2001 wurden fast 6.000 Fälle gemeldet, und das Robert-Koch-Institut schätzt, dass es tatsächlich sogar 20.000 bis 80.000 Erkrankte jährlich gebe. Diese Zahlen stehen in Zusammenhang mit einer gewissen Impfunlust der Bevölkerung, die auch von manchen Ärzten geteilt wird und schon zu so abstrusen Veranstaltungen wie den „Masernpartys“ geführt hat: Eltern bringen ihre gesunden Kinder zwecks Ansteckung zu masernkranken Kindern. Viren gegen Topfschlagen sozusagen.

Eine Maserninfektion, so eines der Argumente von Impfgegnern, sei nicht gefährlicher als die Impfung dagegen mitsamt ihren Nebenwirkungen. Gerade für das Immunsystem von Kindern sei es nur zu gut, wenn es frühzeitig in Kontakt mit Erregern wie dem Masernvirus komme – zum Beispiel um später besser gegen Allergien geschützt zu sein; eine These, gegen die jedoch Erfahrungen aus der DDR sprechen: Hier bestand Impfpflicht gegen Masern und trotzdem gab es bis zur Wende weit weniger Allergien als in der Bundesrepublik.

Sicherlich gibt es weniger schwerwiegende Infektionen als eine Masernerkrankung, um das Immunsystem eines Kindes zu stärken, beispielsweise eine einfache Erkältung. Verursacht durch den Paramyxovirus, sind die Masern eine typische Kinderkrankheit, die zu schweren Komplikationen führen kann. Die Infektion erfolgt durch Tröpfchen von Mensch zu Mensch; Eintrittspforten sind Nase, Mund und Augenbindehäute. Die Erkrankung beginnt uncharakteristisch mit Schnupfen, Husten, Fieber, Lichtscheu und einer Bindehautentzündung. Nach einigen Tagen sinkt das Fieber und es treten als erste Hauterscheinung kalkspritzerartige Flecken auf der Wangenschleimhaut auf, die so genannten Koplik-Flecken. Nach gut zwei Wochen folgen ein erneuter Fieberanstieg und ein hellrotes, klein- bis mittelfleckiges Exanthem im Gesicht, das hinter den Ohren seinen Ausgang nimmt und sich später an Extremitäten und Rumpf ausbreitet. Die Flecken schließen sich dann zu bräunlich erscheinenden Flächen zusammen; Lichtscheu und Symptome wie Husten und Schnupfen nehmen wieder zu. Nach einer weiteren Woche beginnt das Exanthem abzublassen und die Patienten werden fieberfrei. Da Masern erheblich die Immunantwort unterdrücken, kann es zu bakteriellen Superinfektionen kommen: Am häufigsten sind Ohrenentzündungen, aber auch Pneumonien, Entzündungen im Rachen- und Kehlkopfbereich und Durchfallerkrankungen sind die Folge. Diese Superinfektionen sind es auch, die in Entwicklungsländern noch immer hunderttausende Tote nach einer Masernerkrankung fordern.

Besonders gefürchtet hierzulande ist die Masernenzephalitis, eine Entzündung des Gehirns. Sie geht mit hohem Fieber, Bewusstlosigkeit und Krämpfen einher und stellt sich zwei Tage bis zwei Wochen nach der Maserninfektion ein, und das in 0,1 Prozent aller Erkrankungsfälle. Eine Enzephalitis kann schwere, irreversible neurologische Ausfälle zur Folge haben. In 20 Prozent endet sie tödlich.

Die Diagnose der Masern stellt sich aufgrund der Symptome und durch den serologischen Nachweis spezifischer IgM-Antikörper. Abzugrenzen sind sie von anderen Erkrankungen mit einem Exanthem: Scharlach, Röteln und Windpocken. Die Behandlung ist symptomatisch. Die Kinder müssen zu Hause bleiben, bis das Exanthem abheilt – so lange besteht Ansteckungsgefahr. Im Falle zusätzlicher Infektionen sind Antibiotika Therapie der Wahl. Wer einmal Masern hatte, ist sein Leben lang immun dagegen.

Die Impfung wird mit abgeschwächten lebenden Masernviren vorgenommen und sollte 15 bis 23 Monate später wiederholt werden – um Impfversagern eine zweite Chance zu bieten. Mit einer passiven Immunisierung, bei der Virus-Antikörper gespritzt werden, kann man drei Tage nach Ausbruch der Erkrankung noch auf den Verlauf einwirken. Auch bei der Impfung sind Nebenwirkungen möglich: In 15 Prozent der Fälle treten nach einer Woche so genannte Impfmasern auf, und ganz selten hat es auch schon Enzephalitiden gegeben.

GERRIT BARTELS

(wird fortgesetzt)