Tasten im Dunkeln

■ Auch Blinde surfen im Internet. Das wissen auch die Grünen, die auf ihrer neuen Homepage jetzt Stimmen sprechen lassen

Was tun, wenn man ein bestimmtes Lied in der CD-Sammlung sucht, sich die Hüllen aber alle gleich anfühlen – das Plastik allein sagt Blinden oder Sehbehinderten nichts. Der blinde Hajo Horras aus Bremen fährt dann einfach seinen Rechner hoch und lässt sich die Titelfolge seiner CD vorlesen. Das Programm dafür hatte er zuvor aus dem Internet gezogen.

Wer denkt, das Internet-Bildmeer und die Informationsflut schließen Blinde und Sehbehinderte aus, der irrt sich. „Wir haben Möglichkeiten wie nie zuvor. Einkaufen, in Enzyklopädien blättern und vor allem täglich Tageszeitungen lesen“, sagt Michael Lang von der Interessengemeinschaft sehbehinderter Computerbenutzer.

Grund für die Bremer Grünen, bei der neuen Internetpräsentation ihrer Bürgerschaftsfraktion auch an die Gäste zu denken, die ausschließlich mit Fingerspitze und Ohrmuschel surfen. „ Unsere Homepage ist barrierenfrei“, sagt die Grüne Andrea Quick als Begleiterin des Projektes, „ jeder Gast soll dieselben Dienste nutzen können.“ Mit dieser Seite seien die Bremer Grünen „Vorreiter“ bei der Fraktions-Präsentation im Internet.

Zwar grüßt immer noch das blumige Parteilogo auf der Startseite. Ab sofort stehen jedoch zwei Links im Angebot. Ein Link läßt die Seite zur „Grafischen Vollversion“ springen, der andere führt zur „Textversion barrierefrei“. Barrierefrei, weil auch Blinde an alle Texte dieser Internetseite gelangen und weil der „Screen Reader“ auf einer grafikfreien Homepage reibungsloser laufen kann.

Der „Screen Reader“ ist ein Programm, das sämtliche Homepages vertont und so Blinden und Sehbehinderten das gesamte Internet hörbar macht. „Es geht angenehm einfach. Wie Kassettehören“, sagt Lang. Zunächst bearbeitet das Programm die gewählte Seite. Dann liest eine synthetische Stimme die Textinformationen der jeweiligen Homepage vor. Links und andere aktive Elemente hebt die Stimme hervor, die an einen Anruf bei der Bahnauskunft erinnert. Der blinde Nutzer bedient die Webseiten mit der gewöhnlichen Tastatur. Mit den Cursortasten kann man über den Bildschirm wandern.

„Auf der Homepage von den Grünen lässt sich eine Menge machen“, sagt Horras, der gestern die blindengerechte Webseite im Lift- Café vorstellte. Man höre Aktuelles über die Politik der Hansestadt und bekomme Pressemitteilungen vorgelesen, die Fraktion kommt zu Wort. „Eine gleichberechtigte Teilhabe von Behinderten am öffentlichen Leben“, wünscht sich Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen. Im Bus oder Bahn und vor dem Rechner: Jeder öffentliche Computer solle über Lautsprecher und „Screen Reader“ verfügen. Daniel Toedt