David Lynchs Netzvisionen

Eine Million Dollar hat David Lynch in sein Internetangebot investiert. Doch der Regisseur redet über alles andere als seine finanziellen Pläne. Viel lieber zum Beispiel über jene eigentümliche Qualität der Bilder im Netz und davon, wie Ideen sich mit ihnen verbinden. Wer heute noch ganz ernsthaft das Internet „eine offene Tür in den Äther“ nennt, muss das ernst meinen – und eine Vision haben. Um die zu erfahren, muss man auf www.davidlynch.com allerdings bezahlen. Und um es gleich zu sagen: Die 9,97 Dollar im Monat ist die Seite bislang nicht wert, da viele der ohnehin nur für breitbandige Zugänge geeigneten Inhalte noch gar nicht zur Verfügung stehen. Das mindert aber keineswegs die Qualität der Vision dahinter: Lynch sucht eine neue, dem Medium Internet eigene Form des Erzählens. Das ist zum Teil eine Weiterführung der assoziativen, mäandrierenden Erzählflüsse, die Lynch bisher vor allem im Fernsehen auslebte. Dieses Erzählen ähnelt den Verschwörungstheorien, die im Netz ihr ureigenes Medium haben: Auch sie arbeiten mit Assoziationen, die aus unterschiedlichsten, scheinbar unzusammenhängenden Quellen gespeist werden. Mit einigen der Ton-Bild- und Textfragmente auf Lynchs Seite assoziiert man bereits Bekanntes aus seinem Werk: Schatten, die zu kriechen beginnen, Räume, in denen die Stille beängstigend laut wird – und natürlich Ameisen.

Neben diesen Fragmenten gibt es als bisher einzige Serie den von Lynch gezeichneten und gesprochenen Cartoon „Dumbland“. Lynch nennt ihn selbst „grob, dumm, gewalttätig, absurd“ – das ist er tatsächlich. In Kürze sollen die eigens für die Seite gedrehte „Sitcom ohne Komik“ namens „Rabbits“ und die „Twin Peaks“ ähnelnde Mystery-Serie „Axxon N“ starten. Bis dahin kann man auch ohne Abo Lynch herumhüpfen sehen – und gegen Geld sein Versprechen kennen lernen und sogar erfahren, welchem Aprilscherz Lynch aufgesessen ist. KONRAD LISCHKA

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