Antifa außer Hörweite

NPD darf morgen durch Hohenschönhausen marschieren. Eine von Prominenten unterstützte Gegendemonstration wurde von der Polizei verboten. S-Bahn verweigert Sonderzüge für Nazis

von DIRK HEMPEL
und HEIKE KLEFFNER

Die NPD soll morgen ungestört durch Hohenschönhausen marschieren. Eine geplante Gegendemonstration wurde nach Angaben ihres Anmelders gestern von der Polizei untersagt. Begründung: die örtliche Nähe zum Aufzug der Neonazis.

Zur Teilnahme an der Gegendemonstration hatte auch die „Berliner Initiative Europa ohne Rassismus“ aufgerufen. Deren Aufruf haben unter anderem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye (SPD), der DGB-Vorsitzende Dieter Scholz und Paul Spiegel vom Zentralrat der Juden in Deutschland unterzeichnet. Der Anmelder will gegen das Verbot klagen. Die evangelische Gemeinde hat eine weitere Kundgebung am Prerower Platz angemeldet. Auch dorthin ruft „Europa ohne Rassismus“ auf.

Die NPD mobilisiert für morgen, 11 Uhr, zum S-Bahnhof Hohenschönhausen. Von dort aus soll es laut NPD über Falkenberger Chaussee und Egon-Erwin-Kisch-Straße zum S-Bahnhof Wartenberg gehen – und zurück zum S-Bahnhof Hohenschönhausen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte gestern nur den Sammlungsort der Neonazis bekannt gegeben. Die Route wollte er geheim gehalten, um keine Werbung für die Partei zu machen, hieß es. Am Start- und Zielort halten auch Regionalzüge aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die bisher üblichen Sonderzüge der S-Bahn werde es diesmal nicht geben, betonte S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz. Neonazis mit Fahrschein müssten jedoch befördert werden, so Priegnitz. „Wir haben da keinen Handlungsspielraum.“ Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert beklagte die erschwerte Sicherheitslage ohne „Ergänzungszüge“ für den Transport der Neonazis. Rechtsextremismusexperten sorgen sich um die Sicherheit von anderen Fahrgästen in den Zügen. „In den letzten Monaten ist es im Anschluss an Neonaziaufmärsche wiederholt zu körperlichen Angriffen auf vermeintlich linke oder ausländische Fahrgäste gekommen“, sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv.

Der jüngste Zwischenfall ereignete sich Anfang April im Regionalzug von Leipzig nach Dessau im Anschluss an einen Aufmarsch von 800 Neonazis. Ein Berliner Ethnolge, der mit im Zug war, berichtet der taz von einer „albtraumhaften Fahrt“. Am Leipziger Hauptbahnhof habe ihm ein Beamter des Bundesgrenzschutzes gesagt, „dass er in diesem Zug nicht mitfahren würde“. Nach Angaben einer Sprecherin der Deutschen Bahn AG Sachsen befanden sich in dem Zug rund 120 Rechtsextremisten und 30 Linke. Während der BGS Halle behauptet, die „Provokationen sind sicherlich vom linken Spektrum ausgegangen“, erinnert sich der Ethnolge lediglich an verschüchterte Teenager mit bunten Haaren, die sich aus Angst vor der Übermacht der Neonazis in ein Abteil drängten. „Plötzlich hat sich die Tür zwischen den Waggons geöffnet, drei, vier Glatzköpfe haben ohne Vorwarnung auf die ersten Jugendlichen eingeschlagen. Eine Flasche flog an meinem Kopf vorbei.“ Es habe einen Verletzten und Sachschaden von 6.500 Euro gegeben, bilanziert die Bahn AG. Von 119 Fahrgästen wurden die Personalien festgestellt, verhaftet wurde niemand.

Richtlinien für das Vorgehen nach Neonaziaufmärschen gebe es nicht, erklärt Andreas Fuhrmann, stellvertretender Sprecher der Bahn AG für Berlin und Brandenburg. Wenn Polizei oder BGS zur „Gefahrenabwehr“ beschlössen, die Rechten per Zug abzutransportieren, müsse die Bahn kooperieren. „Dann bezahlt der BGS die Transportkosten.“ Tröstend fügt Fuhrmann hinzu: „Die Sicherheit der Fahrgäste ist objektiv viel besser, als sie subjektiv wahrgenommen werden kann.“ Und auch Michael Bayer, Sprecher des BGS-Amtes Berlin-Brandenburg, wiegelt ab. „Wir tun alles, um die Sicherheit der Fahrgäste am 1. Mai zu gewährleisten.“