Ein Dandy gegen Bürokraten

Der Soziologe und bekennende Schwule Pim Fortuyn polarisierte die Niederländer: Die einen liebten seine Fähigkeit, sich selbst zu inszenieren. Die anderen hassten ihn, weil er alles vereinfachte

DEN HAAG taz ■ Pim Fortuyn hat die politische Landschaft in den Niederlanden dramatisch verändert. Vorrangiges Angriffsziel des Rechtspopulisten, der nach den Wahlen vom 15. Mai die Geschäfte in Den Haag übernehmen und dort „endlich klar Schiff machen“ wollte, war die holländische Tradition der Konsensdemokratie. Einen ihrer wichtigsten Erfolge, die Senkung der Arbeitslosigkeit durch das „Poldermodell“, tat er als „Augenwischerei“ ab und brachte bei jeder Gelegenheit die Versäumnisse der achtjährigen Regierungszeit der „lila“ Koalition unter Premier Wim Kok in der Bildungs-, Gesundheits- und Sozialpolitik aufs Tapet.

Pim Fortuyn polarisierte. Die einen liebten den politischen Senkrechtstarter, weil er ihrer zunehmenden Unzufriedenheit mit der Politik der traditionellen Parteien Ausdruck verlieh und sich dazu einer klaren Sprache bediente. Die anderen hassten den als Dandy und „Egotripper“ verschrienen Soziologen und Publizisten, nicht nur weil er mit seinen zum Teil haarsträubenden Thesen zur Ausländer- und Sozialpolitik große Teile der Öffentlichkeit brüskierte, sondern auch Mal für Mal die Kandidaten der gefestigten Parteien von links bis rechts düpierte. Diese nahmen sich im Vergleich mit dem schillernden Sieger der Kommunalwahlen von Rotterdam in den Talkshows der Vorwahlzeit wie saturierte Bürokaten aus.

Was auch immer sie von ihm gehalten haben mögen – Fortuyn berührte die Niederländer. Er war konfliktbereit und spöttisch, wo die Konkurrenz sich in konsensualen Floskeln erging. Er war offenherzig, wo sich die Kandidaten der herkömmlichen Parteien zugeknöpft gaben. Der Rechtspopulist ließ kein prekäres Thema aus, schonte niemanden.

In seinem Wahlprogramm, das in Holland als Buch erschien, hat Fortuyn weitestgehende Maßnahmen zur Zwangsintegration von Migranten gefordert und den Islam als „rückständige Kultur“ bezeichnet. „Leute, die unsere Frauen als Huren und mich als Schwein bezeichnen, die will ich bei uns nicht haben“, pflegte der bekennende Schwule bei jeder Gelegenheit zu betonen.

Fortuyn wollte Sozial- und Gesundheitssystem einer drastischen Reform unterziehen, sein vorrangiges Ziel war mehr Eigenverantwortung und -beteiligung. Auch wollte er den Schengener Vertrag über offene Grenzen in der EU und die UN-Flüchtlingskonvention aufkündigen. Wenn es nach ihm ginge, so Fortuyn, hätten die Niederlande bald „0 Prozent Zuwanderung“. Ihm wäre klar, so hatte er noch vor kurzem in TV-Gesprächen eingeräumt, was er mit seiner Art der Politik bei den Menschen in den Niederlanden lostrete. HENK RAIJER