rot-rot im bush
: Es ist Demo, und keiner will hin

Es war einmal eine Partei, die wollte die letzte große Anti-Kriegs-Partei sein. Sie nannte sich PDS und betonte immerzu ihre Vielfalt, außer wenn es um eine Frage ging. Das war der Krieg. Schwerter zu Pflugscharen hieß ihr Slogan, und in Wahlkämpfen war die Friedenstaube auf ihren Plakaten zu sehen. Alle anderen Parteien, vor allem die Grünen, scholt sie unbarmherzig als Kriegstreiber.

Kommentar von JÖRN KABISCH

Ja, genau, es war einmal. Und dass es heute nicht mehr so ist, liegt an Termingründen. Denn die PDS-Senatoren in Berlin – von Knake-Werner bis Gysi – haben alle viel zu viel zu tun, als dass sie an der Demonstration „Frieden jetzt!“ teilnehmen könnten, zu der ihre eigene Partei anlässlich des Besuchs von US-Präsident Bush in Berlin am 22. Mai aufruft. Sagen sie wenigstens.

Doch was sollte die Senatoren, wären sie überzeugte Kriegsgegner, hindern, an einer solchen Demonstration teilzunehmen? Noch immer durchkämmen GI-Spezialkräfte Afghanistan nach Bin Laden. Noch immer kreuzen Zerstörer vor der Arabischen Halbinsel – Somalia in Sicht. Noch immer hat die US-Administration einen Angriff auf den Irak nicht ausgeschlossen. Alles gute Gründe, um zu demonstrieren, und viele Berliner werden diesen folgen.

Die PDS-Senatoren folgen stattdessen lieber der Kabinettsdisziplin des Regierenden Bürgermeisters, der sich in Sachen Bush-Besuch schon über das notwendige Maß hinaus kompromittiert hat und nun im Kotau vor der CDU Gehorsam vor der ehemaligen Westberliner Schutzmacht verordnet. Termine sind dabei – wie stets – die schlechteste Ausrede, die es gibt.

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