Warnendes Energie-Beispiel

taz-Kongress on tour: Was haben vier Jahre Rot-Grün für die erneuerbaren Energien gebracht. Experte warnt vor Subventionen à la Atomkraft für die Regenerativen

HANNOVER taz ■ Im alternativen Pavillon hinterm Hannoveraner Hauptbahnhof hatte die taz am Freitagabend zur Diskussion um den Umbau unserer Energiewirtschaft geladen. „Atom aus – Licht an“ lautete das Motto. Oder: Was haben vier Jahre rot-grüner Politik gebracht? Ist die Energiewende eingeleitet?

Natürlich, sagt Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur Dena. Nur sei dies bereits vor 13 Jahren geschehen: „Die Geburtstunde der Energiewende war das parteiübergreifende Stromeinspeisegesetz von 1991“. Dennoch: Für Carsten Körnig, Chef der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft, war diese Legislatur eine energiepolitische, eine, „die die Wende erst richtig beschleunigt hat“. In den letzten drei Jahren habe sich die installierte Photovoltaik-Leistung verachtfacht, die installierte Windleistung mehr als verdoppelt, die Arbeitsplatzzahl auf 100.000 summiert. „Wenn man die so beschleunigte Entwicklung hochrechnet, sind im Jahre 2050 nicht 50 Prozent des in Deutschland produzierten Stromes aus regenerativen Quellen möglich, sondern 100 Prozent.“

Für Bernhard Hillebrand, Leiter der Energieabteilung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), ist das schlichtweg „Quatsch“: „Nüchtern betrachtet ist das regenerative Energiedargebot woanders viel größer als in unseren Breiten“. Warum also nicht besser Windräder in den Passatwindregionen bauen? Dort könnten sie sich 6.000 Stunden im Jahr drehen, während sie etwa im Sauerland nur 1.800 arbeiten. „Die Ananas produzieren wir ja auch nicht in Deutschland.“

Ein hübsches Bild, fand Felix C. Matthes, Energieexperte des Ökoinstitutes. Nur: „Es stimmt nicht!“ Die Technologie zur Ananaslagerung stamme nämlich sehr wohl aus hiesigen Breiten. Das, was der Staat heute in die erneuerbaren Energien steckt, nannte Matthes ein „learning Investment“. Das 50-Prozent-Ziel im Jahre 2050 sei nach seiner Überzeugung kein technisches Problem. „Es ist nur eine Frage der Rahmenbedingungen“.

Für Bernhard Hillebrand war dies eine gute Argumentationshilfe. „Der billige Atomstrom ist die Folge von Rahmenbedingungen, die staatlicherseits einst vorgegeben wurden.“ Er warnte davor, nun durch etwa eine rigide Subventionspolitik für erneuerbare Energien wieder Rahmenbedingungen zu schaffen, die uns in 20 oder 40 Jahren vielleicht wieder auf die Füße fallen.

Und da war er dann, der Expertenstreit, bei dem Verbundnetze gegen Wärmedurchlaufswerte, Kollektorenkenndaten gegen Milliarden Euro prallten. Offenbar sehr zur Freude des Publikums. Das nämlich zeigte sich, als der Streit vom Podium ins Auditorium getragen wurde, auf der Höhe der Zeit. Was am Anfang des Abends mit einem hochqualifizierten Podiumsstreit begann, wurde jetzt so, wie es sich eine Redaktion nur wünschen kann: Eine Leserschaft, die mit kompetenten Fragen Experten herausfordert. NICK REIMER

Nächste Kongress-Veranstaltung am 23. Mai in Slubice an der Oder: „Polnische Brötchen – Nein danke!“ Die EU-Osterweiterung im Praxistest (www.taz.de)