Schacht Konrad als Politikproblem

Genehmigung für das Atomendlager angeblich folgenlos

HANNOVER taz ■ Die Genehmigung für das umstrittene Atommüllendlager Schacht Konrad ist abgesegnet, aber Ruhe gibt es noch lange nicht. Gestern demonstrierten rund 100 Menschen in der Nähe des niedersächsischen Landtages, der sich heute in einer aktuellen Stunde noch einmal mit dem Thema beschäftigen will. Die Demonstranten forderten eine „politische Entscheidung“. Der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) hatte erklärt, er habe „keinen Spielraum gehabt“ und die Genehmigung nicht versagen können. Auf der Kundgebung sagte er, er gehe ohnehin „davon aus, dass in Schacht Konrad nie Atommüll eingelagert wird“. Seine Hoffnung sei, dass die Genehmigung folgenlos bleibe. „Dazu bedarf es aber der rechtlichen Auseinandersetzung vor Ort und einer gesamtgesellschaftlichen politischen Debatte um ein neues Endlagerkonzept.“

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hatte den Weg für die Genehmigung des Atommüllendlagers Schacht Konrad Ende April frei gemacht. Das Bundesumweltministerium habe keine rechtlichen Einwände gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landes Niedersachsen für das separate Endlager für schwach Wärme entwickelnde atomare Abfälle, hieß es.

In seiner bundesaufsichtlichen Stellungnahme befürwortete Trittin jedoch zugleich die Halbierung der Endlagerkapazität von Konrad auf die 303.000 Kubikmeter Atommüll, die der niedersächsische Genehmigungsentwurf vorsieht. Nach dem schon zwei Jahrzehnte alten Genehmigungsantrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) sollte in der ehemaligen Eisenerzgrube in Salzgitter eigentlich Platz für 650.000 Kubikmeter Atommüll geschaffen werden. Nach einer Berechnung des BfS selbst werden in der Bundesrepublik jedoch insgesamt nur 303.000 Kubikmeter schwach Wärme entwickelnde Abfälle anfallen. Grund dafür sind die im Atomkonsens vereinbarten Laufzeitbegrenzungen und technische Fortschritte bei der Demontage von Atomkraftwerken. Diese Neuberechnung hat das Land zugrunde gelegt, obwohl das Bundesamt die Zahl im Antrag nie korrigiert hatte.

Gebrauch machen wird das BfS von der Genehmigung tatsächlich vorerst nicht. Den Antrag, sie für sofort vollziehbar zu erklären, hat es längst zurückgezogen.

Die in der AG Schacht Konrad zusammengeschlossenen Gegner des Endlagers drohen damit, sich zunächst durch alle Instanzen zu klagen. Wie der Umweltverband BUND hat auch die Gewerkschaft IG Metall dazu aufgerufen, diese Möglichkeit auch zu nutzen. Weder die Langzeit- noch die Betriebssicherheit im Schacht Konrad seien gewährleistet. Man lasse sich auch nicht dadurch besänftigen, dass die Genehmigung nicht sofort vollzogen werden solle.

Kosten für das Projekt Schacht Konrad würden nicht mehr anfallen, sagte Trittin auf die Frage, warum man das Endlagerprojekt nicht einfach fallen lasse. Es werde auch keine Rückzahlungen an die AKW-Betreiber geben, die die Endlagersuche in Salzgitter bezahlen mussten.

Allerdings will der Grünen-Politiker dennoch das Ein-Endlager-Konzept weiter verfolgen, in dem ein für hochradioaktive Abfälle ungeeignetes Endlager wie Konrad schlicht überflüssig ist. Vor der Bundestagswahl soll sich dabei allerdings offenbar nichts mehr tun. Der wissenschaftliches Arbeitskreis, der gegenwärtig Kriterien für das eine Endlager sucht, der „AK End“, werde seine Ergebnisse erst im Oktober oder November vorlegen, so Trittin. Dem werde eine öffentliche Debatte über die Kriterien folgen.

Um dann tatsächlich bundesweit nach dem Standort für das eine Endlager zu suchen, müsse man zur Mitte der kommenden Legislaturperiode noch eine Klausel in das Atomgesetz einfügen. Fraglich sei, ob der Standort Gorleben den Endlagerkriterien überhaupt genüge und bei der bundesweiten Suche nach dem einen Endlager noch dabei sei. Tatsächlich zu einem Standort soll die Suche erst in der übernächsten Legislaturperiode führen. Folgt man den Trittin’schen Plänen, hätte die Konrad-Genehmigung vor allem für den Fall einer anderen Berliner Regierungskoalition Bedeutung. Schließlich kann der Bund, wenn er denn will, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung jederzeit wieder beantragen.

JÜRGEN VOGES