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: Klare Fronten: Filme von Woody Allen und Amos Gitai bei den Filmfestspielen

Von Fröschen und Schnecken

In den Sechzigerjahren steckte Hollywood in einer Krise, die unter anderem damit zu tun hatte, dass greise Männer ihre Posten in den Studios nicht räumen wollten. Es soll sogar, schreibt der US-amerikanische Filmkritiker Peter Biskind, Regisseure gegeben haben, die im hohen Alter erblindeten und trotzdem weiter drehten. Bis endlich die jungen Männer des New Hollywood, beeinflusst von Flower Power, Nouvelle Vague und der Idee filmischer Autorenschaft, Schluss machten mit den senilen Verhältnissen.

Woody Allens neue Komödie, „Hollywood Ending“, verkehrt dieses Szenario. Hier erblindet der Regisseur temporär und aus psychosomatischen Motiven heraus (obschon Woody Allen, der die Hauptfigur Val Waxman gibt, in die Jahre gekommen ist, Falten am Hals hat und auf eine Weise aus seiner Cordhose herausragt, die ein bisschen traurig stimmt). Doch Waxman ist keine Figur, die dem Establishment angehört, sondern, im Gegenteil, ein in Ungnade Gefallener, einer, dessen Ruhm als Auteur zehn Jahre zurückliegt. Ihm gegenüber stehen die Studios und deren Vertreter, für die Film nichts weiter ist als ein Mittel zum Geldverdienen.

Überschaubar also ist Woody Allens Versuchsanordnung, klar sind die Fronten: hier New York, dort Los Angeles, hier die Kunst, dort das Geld, hier die Verlierertypen, dort die Karrieristen. Sicher, Val Waxman ist eine Nervensäge, aber ist er nicht tausendmal sympathischer als Hal Yeager, der allzu glatte Produzent, den Treat Williams verkörpert? Wären nicht Allens Dialoge, man würde sich langweilen angesichts einer fiktiven Welt von so klarer Struktur. Zurück bleibt ein falscher Ton, der über Allens Happy End hinaus wirkt: die giftige Frage, wer denn nun dem größeren Betrug aufsitzt – das US-amerikanische Popcornpublikum, das Val Waxmans blind gedrehtes Oeuvre verdammt, oder die französische Kritik, die in Anschlussfehler und Achsensprung die wahre Kunst entdeckt?

Auf der Pressekonferenz ging es heiter zu, als eine Abgesandte der Harald Schmidt Show sich zu Wort meldete. Sie wollte wissen, welche psychologische Erklärung Allen dafür habe, dass man in Frankreich Frösche und Schnecken verzehre. Sie sprach ein holpriges Englisch mit französischer Färbung. Allen antwortete, dass es damit wohl wie mit der Liebe sei: Solange es gut tut, wird es schon in Ordnung sein.

Nicht ganz in Ordnung war der im Vorfeld mit vielen Segnungen versehene „Kedma“ des israelischen Regisseur Amos Gitai. Was man in den ersten zehn Minuten dieses kurz vor der israelischen Staatsgründung angesiedelten Filmes noch für antipsychologische Figurenzeichnung halten mochte, stellte sich bald als Mangel an schauspielerischem Talent heraus.

Was den Figuren blieb, war das Thesentragen, am ausführlichsten in Monologen, deren Atemlosigkeit sich merkwürdig konträr zu ihrer Vorhersehbarkeit verhielt. Dazu das stumpfe Geräusch von Schüssen und Detonationen, außerdem eine Menge Gliedmaßen, die von Kugeln durchdrungen wurden. Am Ende weiß man, dass der Konflikt Wahnsinn ist und bleiben wird, und dies ohne Ausweg. Ganz im Gegensatz übrigens zum Festivaltrailer, der eine Treppe in den Himmel baut, bis man bei den Sternen angelangt ist. CRISTINA NORD