zwischen den Rillen
: Minimal-Techno, tanzbar: Akufens Microsampling

Die ewige Fortschreibung

Was ist Techno? Musik aus Maschinen. Der Rest war eigentlich immer schon egal. All das Gequatsche über die Produktionsmittel im Techno war nur ein hilfloser Versuch, einer neuen Musik mit einem neuen Dikurs gerecht zu werden. Dabei interessiert es den reinen Musikhörer oder Tänzer nun wirklich nicht, welche Emulatoren oder Rolands sowieso bei diesem oder jenen Track zugrunde liegen. Die einzige entscheidende Frage ist vielmehr die: Zündet das Ding oder zündet es nicht?

Bei Marc Leclair aka Akufen ist nun aber doch alles anders. Beim Hören seiner Musik schwingt die Frage „wie hat er das gemacht?“ stets implizit mit. Plötzlich geht es tatsächlich um Skills und der Geniekult, der sonst eher in den entrücktesten Sphären avancierter Electronica umherwabert, lugt plötzlich bei dieser Musik strictly for the dancefloor um die Ecke. Und das, wo es der Ansatz von Akufen doch gerade ist, eben kein Autor und schon gar kein Genie sein zu wollen.

Was macht Akufen anders als die anderen? Alles. Vor allem radikalisiert er das Prinzip Sampling. Er setzt es nicht mehr zur Erzeugung von Erkennungsmerkmalen ein oder um ein intertextuelles Verweissystem zu etablieren, das den Sinn hat, dass alle beim wiedererkannten Abba-Sample entzückt mit den Armen rudern. Er verarbeitet die Samples vielmehr selbst zu Rhythmusmaschinen, zerhackt sie und setzt sie als unterleibssteuernde Beats wieder zusammen. Nicht nur die gerade Bassdrum pumpt bei ihm, sondern seine wild collagierten Samplelandschaften.

Vom Prinzip her erinnert seine Herangehensweise an das, was der Engländer Herbert schon seit längerem unter seinen Pseudonymen Wishmountain oder Radio Boy produziert. Herbert nimmt bei seinen Live-Sets eine herumliegende Coladose zur Hand, zerdrückt sie, sampelt das dabei entstehende Geräusch und verarbeitet es gleichzeitig zu einem funky Rhythmuspattern. Doch wo Herbert nach einem sich selbst auferlegten Dogma vorgeht, das ihm verbietet, fremdes Material neu zu bearbeiten, weil das unkreativer Diebstahl wäre, geht Akufen genau gegenteilig vor. Er bedient sich. Bei dem, was das Radio dauernd ausspuckt.

In den Linernotes zu „My Way“ beschreibt er seine Idee, das Dauerrauschen des Radios, das ständig sendet und dessen Signale bereits Sekunden nach ihrem Empfang für immer tot sind, zu durchbrechen. „Mein Studio ist inzwischen ein Friedhof für diese toten Frequenzen geworden“, heißt es bei ihm, und als mutierte Zombies schickt er diese Frequenzen wieder los, um sich in unseren Gehirnen festzukrallen.

Microsampling nennt er sein Prinzip des Raubbaus. Er macht dabei keine Qualitätsunterschiede zwischen den Signalen: In seinen Produzentenhänden, so sein Ansatz, verwandelt sich selbst Trash zu Gold, und jeder Mist aus dem Radio ist immer noch gut genug, um ihm zur Schaffung seiner künstlerischen Artefakte, seiner Tracks, zu dienen. „My Way“ heißt seine Platte nicht umsonst, denn Akufen weiß, das sein Weg ein ganz spezieller ist, und so schreibt er auch: „Es wird Zeit für Risiken und dafür, Regeln zu durchbrechen.“

Akufen will mit seiner Musik seine Meinung zur unseligen Debatte um das Copyright kundtun, will politisch sein. Er akzeptiert die Idee von Urheberschaft einfach nicht. Der Autor ist für ihn toter als tot, weil es ihn schlichtweg nicht gibt, also kann man auch niemandem Geld dafür überweisen, dass man sich an etwas bedient hat, das eigentlich gar niemandem gehört.

Folgerichtig fordert Akufen selbst dazu auf, sich an seiner Musik zu bedienen, sie wiederum zu modifizieren, denn nur so wäre Fortschritt überhaupt möglich. Und tatsächlich: Techno, Minimaltechno, wie ihn Akufen produziert, hat man so noch nie gehört.

Vor allem in Köln und Berlin wird Minimal-Techno heute ganz groß geschrieben. Doch inzwischen hat sich auch in Akufens Heimat, in Montreal, eine Szene entwickelt, die wiederum besonders in Deutschland auf großes Echo stößt. So ist es auch kein Wunder, dass „My Way“ auf einem deutschen Label erscheint und seine Platte hier für ungleich mehr Aufmerksamkeit sorgt als in Kanada, wo Techno trotz einer gesunden Szene immer noch leicht stiefmütterlich behandelt wird.

Minimaltechno kann längst überall entstehen und hat seine Produktionsstandort-Ghettos wie Berlin oder Detroit verlassen: Eben deshalb, weil seine Grundidee woanders schlichtweg „gesampelt“ wurde. Es geht eben darum, etwas fortzuführen, was keinen bestimmbaren Anfang und auch kein feststehendes Ende hat, und das niemandem gehört. Davon erzählt „My Way“.

ANDREAS HARTMANN

Akufen: My Way (Force Inc/EFA)