Die Rothäute kapitulieren

Der große Cowboy ist noch gar nicht in der Stadt, da wälzt sich die PDS bereits im Staub. Gemeinsam mit SPD und Grünen legt sie einen Willkommensgruß für US-Präsident Bush im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vor – und will doch demonstrieren

von STEFAN ALBERTI

Der erste Rechtfertigungsversuch kommt noch vor dem Sündenfall. Freke Over, tendenziell renitenter PDS-Abgeordneter, leistet am Telefon gegenüber der taz Abbitte für das, was seine Partei später im Abgeordnetenhaus tun wird. Nummer zwei folgt auf dem Parlamentsflur von der Fraktionssprecherin – es sei doch alles eine Frage der Formulierung. Was sie zurechtrücken wollen, ist der Kotau einer neuen Regierungspartei vor der Staatsräson. In einer Resolution mit dem Koalitionspartner SPD und den Grünen heißen die PDS-Abgeordneten US-Präsident George W. Bush willkommen – während die Bundesspitze ihrer Partei zu Protesten aufruft.

Man würdige „die besonderen Beziehungen Berlins zu den Vereinigten Staaten und bekennt sich zur Freundschaft“, heißt es in der Resolution, die gestern am späten Abend verabschiedet werden sollte. PDS-Fraktionschef Harald Wolf ging dazu von kompletter Zustimmung seiner Fraktion aus, Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz rechnete mit ein, zwei Enthaltungen aus ihrem Lager. Für die Opposition ist die Resolution ein Elfmeter. „Scheinheilig und unglaubwürdig“ sei das, sagt CDU-Fraktionschef Frank Steffel, der von einem Spagat zwischen Regierungsverantwortung und alter Ideologie der PDS spricht.

Seine Fraktion will mehr, will das Parlament zu einem Boykott der Demos aufrufen lassen: Die seien keine Friedensdemos, sondern antiamerikanisch.

Es ist die FDP-Fraktion, die zweitkleinste im Haus, die die anderen Fraktionen und vor allem die PDS unter Zugzwang gesetzt hat. Mittags liegt der Antrag der Liberalen vor, die Distanzierung von den Demos fordern. Hektisch sprechen sich SPD und PDS ab, die Grünen verzichten auf ein eigenes Papier, setzen einige Änderungen durch und schließen sich der Begrüßungsresolution der Regierungsfraktionen an. Wer trotzdem demonstrieren geht, macht sich für Grünen-Fraktionschefin Klotz nicht unglaubwürdig: Sie könne sich doch dem amerkanischen Volk verbunden fühlen und trotzdem die US-Politik in Menschenrechtsfragen kritisieren. Auf führende Abgeordnete wie Klotz zielt der Antrag der FDP. Man achte zwar die Meinungsfreiheit, beteuern die Liberalen – aber politischen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten komme besondere Verantwortung zu, sie sollen beim Bush-Besuch nicht demonstrieren dürfen.

Die PDS antwortet mit einer deutlich veränderten Argumentation. Schützten ihre Senatoren bislang Terminschwierigkeiten vor, so bekennen die Sozialisten sich jetzt zur Regierungsverantwortung. Fraktionschef Wolf räumt Fehler beim Umgang mit dem Thema ein. Von Handlungszwängen spricht er jetzt, und die seien für Regierungsmitglieder, Abgeordnete und Parteigenossen unterschiedlich. Die Senatoren stünden letztlich nicht nur für sich, sondern repräsentierten als Gastgeber die Stadt. Er hingegen als Fraktionsvorsitzender und Nichtregierungsmitglied sehe für sich keinen Grund, nicht zu demonstrieren. „Reichlich“ Abgeordnete aus seiner Fraktion sind nach seiner Einschätzung bei den Protesten zu erwarten, er selbst will sich noch nicht entschieden haben.

Auch PDS-Sozialsenatorin Knake-Werner hatte Termingründe vorgeschoben und wird in der Debatte zur Zielscheibe von CDU- und FDP-Kritik. Auch sie verweist nun auf die Verantwortung als Regierungsmitglied. Das aber soll nichts an ihrer inneren Haltung ändern: „Ich begrüße und unterstütze das Anliegen all jener, die am Vorabend des Besuchs von Präsident Bush ihre Kritik einer auf Krieg und Kriegsdrohung ausgerichteten Politik der US-Regierung zum Ausdruck bringen wollen.“