Kinobesuch als Fahnenflucht

Wer Vater wird, muss sich radikal neu erfinden – drei Regeln für den Mann

Wir hatten null Ahnung, was auf uns zukommt. Wir waren es gewohnt, nach Lust und Laune zu arbeiten und in die Kneipe zu gehen. Verbindliche Verabredungen machten mich misstrauisch, Pläne, die über die nächsten zwei Wochen hinausreichten, fand ich irgendwie diktatorisch.

Alles vorbei, von einemTag auf den anderen. Ein Sturz vom Reich der Möglichkeiten ins Korsett des Notwendigen. Dass ich mir unter „Kind“ insgeheim in trübem Halbbewusstsein einen Fünfjährigen vorstellte, der darauf wartet, dass ihm sein Papa Fußballschuhe kauft, machte die Lage auch nicht gerade einfacher.

Wir mussten uns neu erfinden, Vater und Mutter sein. Diese ziemlich überraschende Abwesenheit von role models erklärte ich mir einerseits mit dem durch die Nazis zerstörten Generationsvertrauen, den heftigen Generationsrevolten und unserem tiefen, berechtigten Misstrauen gegen biologistische Modelle. Andererseits half das auch nichts, wenn die Windeln mal wieder alle waren.

Das Ergebnis waren immer mehr Auseinandersetzungen: Wir hatten beide das Gefühl, – vom Schicksal allgemein und konkret vom Partner – ungerecht behandelt zu werden. Was vorher ein kleines Scharmützel gewesen wäre, wurde zum Streit ums Ganze. Sie: Du lässt mich mit dem Blag alleine. Er: Ich kann noch nicht mal ins Kino gehen, ohne der Fahnenflucht beschuldigt zu werden et cetera …

Familie ist, jedenfalls mit Kleinkindern, eine Zwangsveranstaltung. Das ist so. Das Leben ein Ritual zwischen Job und Zuhause. Es weckt mehr oder weniger panische Ängste, zum Kleinbürger zu werden. Auch auf dem Beziehungsmarkt hat man als Vater schlechtere Karten. Nicht dass es mich dort hingezogen hätte – aber die Erkenntnis, dass der eigene Marktwert dem der T-Aktie gleicht, stimmt einen auch nicht gerade froh.

Heute haben wir unseren Alltag, Job, Haushalt, Kita, im Griff – nicht mehr umgekehrt. Unser fünfjähriger Sohn zeigt erstaunlicherweise keinerlei Neigung, sich so neurotisch aufzuführen wie seine Eltern. Tipps für die ersten zwei, drei Jahre? Kiffen hilft. Es macht ruhiger und rückt die Dimensionen zurecht. Zweitens: Auch mal getrennt in Urlaub zu fahren, gegen die Klaustrophobie.

Drittens: sich gelegentlich vor Augen führen, dass Kinder neben vielen anderen beglückenden Eigenschaften von ganz alleine größer und selbstständiger werden.DER VATER