BUSH IN BERLIN: IN DEN USA WURDEN DIE PROTESTE ERNST GENOMMEN
: Die Freiheit, undiplomatisch zu sein

Die Aktionen der Friedensbewegung rund um den Bush-Besuch waren ein Erfolg. In allen Berichten der US-Medien über die Visite des Präsidenten in Deutschland haben die Demonstrationen und bunten Aktionen der Bush-GegnerInnen breiten Raum gefunden. Mehr noch: Sie wurden inhaltlich ernst genommen. Die „Sicherheitsblase“, wie Bush es nannte, die über 10.000 eingesetzten Polizisten in ihren Kampfuniformen, kontrastierten scharf mit den kreativen und vielfältigen Aktionen der Friedensbewegung – und die bloße Zahl der TeilnehmerInnen, die hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückblieb, kann diesen Erfolg nicht schmälern. Die Bemühungen der konservativen Berliner Hetzpresse und mancher Politiker, die Friedensaktivisten als „Antiamerikaner“ und Chaoten zu denunzieren, sind im Medienecho in Übersee klar fehlgeschlagen.

Demonstrationen haben zu ihrem eigentlichen Sinn zurückgefunden: eine vom Mainstream abweichende Position laut und klar verständlich zu Gehör zu bringen. Dazu hat sicher beigetragen, dass selbst in linksradikalen Kreisen niemand mit dem Motto „Verhindert den Besuch“ antrat – eine Parole, die keinen Ausweg aus der Konfrontation mit einer übermächtigen Staatsmacht gelassen hätte. Zum Erfolg hat aber auch geführt, dass die Demonstrationen sich in vielen Einzelfragen lediglich die Freiheit genommen haben, klar und undiplomatisch auszusprechen, was auch einen Großteil der politischen Klasse in Europa umtreibt: ein tiefes Gefühl von Misstrauen, Ablehnung und Unbehagen gegenüber dem Weg, den die Bush-Regierung eingeschlagen hat oder noch einschlagen wird, und gegenüber der Rolle, die den Verbündeten bei diesem Weg zugewiesen werden soll.

Es ist nicht die Aufgabe der Friedensbewegung, taktisch zu analysieren, welche Konsequenzen, wenn überhaupt welche, die US-Regierung aus diesem gestörten Verhältnis ziehen wird. Sie hat es geschafft, der US-Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass viele Menschen hier mit der Politik der Bush-Regierung nicht einverstanden sind. Was mehr hätte sie tun können?

Die Bundesregierung im Übrigen ist aus alledem in ihrem Verhältnis zu den USA nicht geschwächt hervorgegangen – der Verweis auf Bedenken in der eigenen Wählerklientel ist etwas, was US-Politiker durchaus verstehen. Sie ist – obwohl den meisten DemonstrantInnen vermutlich nichts ferner lag als das! – als Bedenkenträger gegenüber der US-Politik gestärkt worden. Die Frage ist, was die Bundesregierung daraus macht. Zu wenig, ist zu befürchten. BERND PICKERT