Das Wichtigste ist der Dialog übers Öl

Mit Moskau will die EU über die Sicherstellung wichtiger Energielieferungen verhandeln. Dabei ist man Bittsteller

Brüssel gibt Geld für neue AKWs, wenn Russland seine alten abschaltet

BRÜSSEL taz ■ In großer Besetzung reist die EU-Kommission morgen zum Gipfel nach Moskau. Neben Romano Prodi sind Energiekommissarin Loyola de Palacio, Außenkommissar Chris Patten und Handelskommissar Pascal Lamy mit von der Partie.

Schließt man von der Zusammensetzung der Delegation auf den geplanten Inhalt der Gespräche, zeigt sich deutlich, dass Wirtschaft und Handel für die Gäste im Vordergrund stehen. Zwar nennt die Kommission „Tschetschenien und Pressefreiheit“ als oberste Themen auf einer Liste der Fragen, die mit den russischen Gesprächspartnern erörtert werden sollen. Das aber wirkt wie eine demokratische Pflichtübung, da lediglich der bekannte Protest ein weiteres Mal vorgebracht werden soll.

Auch bei den anderen politischen Konfliktpunkten gibt es wenig Bewegung. So beharrt die EU auf dem Standpunkt, Bürger Kaliningrads müssten nach der Erweiterung ein Schengen-Visum beantragen, wenn sie auf dem Landweg durchs Baltikum russisches Gebiet erreichen wollen. Allerdings sollen die Gebühren dafür niedrig sein, falls Russland seine Visa-Gebühren für EU-Bürger ebenfalls senkt.

Beim Handel dagegen gibt es Neuigkeiten. Wie die Kommission feststellt, hat Russland drei Jahre ökonomischen Wachstums hinter sich. Präsident Putin sei auf gutem Weg, auch die politischen Rahmenbedingungen für ausländische Investoren und Aufnahme in die WTO zu schaffen. „Unter Präsident Putins Führung hat Russland außerordentliche Fortschritte hin zu einem Rechtsstaat gemacht“, heißt es in einem Kommissionspapier.

Rechtsstaat hin oder her – schon jetzt steht Russland an sechster Stelle in der Liste der Exportmärkte der Union. Umgekehrt liefert es ein Drittel seiner Ausfuhren in die EU. Nach der Erweiterung, so wird geschätzt, steigt dieser Anteil auf 50 Prozent und auch der Handel nach Russland wird weiter zunehmen. Allerdings ist der für die EU so wichtige Dienstleistungsbereich dabei nur schwach vertreten.

Da Energielieferungen 60 Prozent der russischen Exporte in die EU ausmachen, kommt de Palacios Abteilung in Moskau ein wichtiger Part zu. Neben einer allgemeinen politischen Erklärung soll ein Fortschrittsbericht über den Energiedialog beider Seiten unterzeichnet werden. Schließlich decken russische Öl- und Gaslieferungen bis zu 20 Prozent des EU-Bedarfs.

„Die EU hat ein vitales Interesse, Russlands Rolle als Gas- und Öllieferant zu erhalten und die sichere und verlässliche Versorgung durch Technologietransfers und Investitionen in die Energienetze zu stärken“, heißt es in einem Vorbereitungspapier für das Moskauer Treffen. Wenn das veraltete System auf Vordermann gebracht werden soll, sind nach Schätzung der Kommission bis 2020 zwischen 460 und 600 Milliarden Dollar nötig.

Wenn die EU sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, aus Russland „schmutzige Energie“ zu kaufen, die den im eigenen Haus geltenden Sicherheits- und Umweltstandards nicht gerecht wird, muss ein Großteil dieser Mittel dafür aufgewendet werden, die Energieproduktion sparsamer, sicherer und umweltfreundlicher zu machen. Für die im Bau befindlichen Atomkraftwerke etwa stellt Brüssel Euratom-Kredite in Aussicht, wenn Russland sich im Gegenzug verpflichtet, seine erste Generation Altreaktoren abzuschalten.

Das Europaparlament hat am 10. April in einer Entschließung neben der Menschenrechtsfrage, der Situation in Tschetschenien und der Pressefreiheit auch den Energiedialog unter die Lupe genommen. Russland sei ein herausragender Partner in diesem Bereich. Allerdings kritisieren die Abgeordneten „die zunehmende Verschlechterung der Umweltsituation in Russland“. In der neuen Regierung gebe es kein Umweltministerium und umweltfeindliche Gesetze häuften sich. So könnten abgebrannte Brennelemente als Devisenbringer importiert werden.

Das Parlament fordert, die Kommission solle beim Moskau-Gipfel darauf drängen, dass Russland das Kioto-Protokoll rasch unterzeichnet. Doch auch dafür sind die Chancen nach dem 11. September gesunken. Wenn die Europäer in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz zu sehr nörgeln, gibt es ja jetzt eine Alternative. Dann rückt Russland ein bisschen näher an die USA. Die unterzeichnen das Kioto-Protokoll schließlich auch nicht. DANIELA WEINGÄRTNER