Streit über Walser

Martin Walser wird die Verwendung antisemitischer Klischees in seinem neuen Roman vorgeworfen. Marcel Reich-Ranicki ist empört

FRANKFURT/M. dpa/ap/taz ■ Der Streit über den noch unveröffentlichten Roman von Martin Walser zieht weitere Kreise. Walser kündigte gestern an, er behalte sich rechtliche Schritte gegen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher vor. Der hatte den Vorabdruck von Walsers neuestem Werk abgelehnt und dieses als „Dokument des Hasses“ bezeichnet. Wenn die FAZ das Buch nicht drucken wolle, so Walser, „hätte eine Mitteilung an den Verlag genügt“. Der Brief Schirrmachers verstoße „gegen jeden Brauch und Anstand“.

Inzwischen hat sich auch Marcel Reich-Ranicki, der dem Autor als Romanvorlage gedient haben soll, zu Wort gemeldet. „Walser schrieb noch nie ein so erbärmliches Buch“, so das Urteil von Deutschlands bekanntestem Literaturkritiker. Er fühle sich als „Betroffener“ und warf Walser vor, „leicht erkennbare Personen lächerlich zu machen und teilweise zu denunzieren“. Zur Frage nach antisemitischen Untertönen in Walsers Roman wollte Reich-Ranicki sich nicht äußern.

Walser hat unterdes bestätigt, dass Reich-Ranicki für die Hauptfigur seines Romans „Tod eines Kritikers“ als Vorbild gedient hat. Der Roman handelt unter anderem vom vermeintlichen Mord an einem jüdischen Literaturkritiker.

„Es geht um den Mord an einem Juden. Die Signale sind unübersehbar und sie sind unheimlich“, so FAZ-Herausgeber Schirrmacher im offenen Brief an den Autor. Walser bezeichnete die Vorwürfe als „verrückt“. Es gebe in seinem Buch keinen Bezug zum Holocaust. „Das Buch erzählt die Erfahrungen eines Autors mit Machtausübung im Kulturbetrieb zur Zeit des Fernsehens“, so Walser.

Dennoch sieht der Schriftsteller keinerlei Verbindung zwischen dem Streit über seinen neuesten Roman und der aktuellen Antisemitismusdebatte in Deutschland. „Mit mir hat diese Debatte nichts zu tun“, so Walser. Aufbau-Verleger Bernd Lunkewitz warf Walser vor, einen verkaufsfördernden Eklat provoziert zu haben. „Das war Kalkül des Autors“, so Lunkewitz. Ohne den Wirbel würden vielleicht 5.000 Exemplare verkauft, „jetzt kann Walser mit 100.000 Exemplaren und mehr rechnen“. KEL