Kurdische Libanesen
: Essen und Bremen im Vergleich

Ein anderer Impetus

Essen und Bremen — zwei Städte mit ähnlichen „Problemen". Sie sind nicht nur fast gleich groß (Land Bremen 630.000, Essen 600.000 Einwohner), sie waren auch beide in den letzten gut 15 Jahren Zuflucht für jede Menge Libanesen kurdischer Abstammung – Essen beherbergt jedoch mit rund 2.000 sogar fast vier Mal so viele von ihnen wie das Bundesland Bremen. Die meisten davon sind noch in Deutschland, auch wenn die Gesetzeslage das angeblich „nicht zuläßt“, wie Innenpolitiker aus beiden Kommunen das immer wieder achselzuckend betonen.

Der Unterschied liegt jedoch offensichtlich am Stil, mit dem die Verwaltungen das „Problem" angingen. Während in Bremen die Senatoren Schulte und Böse mit großem Wirbel und vielfach kritisierter Härte auf 61 Abschiebungen kamen, liegt die Zahl im Ruhrpott ungleich niedriger: "Wir hatten bislang rund 100 Verfügungen und 25 Abschiebungen", sagt Wendel Lorenz, der als Chef des Einwohnermeldeamts auch Leiter der Essener Ausländerbehörde ist, und fügt hinzu: "Es wird noch eine Weile dauern, bis das alles abgearbeitet ist." Die Türkei werde die Abschiebehäftlinge nicht gerade „mit offenen Armen empfangen“, auch in Essen seien noch viele Klagen bis vor das Oberverwaltungsgericht anhängig.Außerdem hat er nur zwei Mitarbeiter für die kurdischen Libanesen abgestellt — „inklusive Betreuung". In Bremen sind es (siehe nebenstehenden Artikel) vier.

„Aus dem Flugzeug abwerfen“

Ähnlich war jedoch die Schlammschlacht, die in beiden Städten um die Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet ausgefochten wurde. „Ich will etwas für die Deutschen tun. Die Bürger im Norden wollen nicht mit den Libanesen zusammenleben", hatte der Essener Rechts- und Ordnungsdezernent Ludger Hinsen einst gesagt. Deshalb, so Hinsen, müssten die Leute raus, "und wenn wir sie aus dem Flugzeug abwerfen!"

Drei Ratsmitglieder stellten daraufhin Strafanzeige gegen den Dezernenten — einen "ideologischen Brandstifter“.

Aber damit nicht genug. Aufgrund von Strafanzeigen des Ausländeramtes nahm die Essener Polizei im März 2000 Speichelproben zur DNA-Analyse von 40 Kurden aus dem Libanon. Das regte nicht nur den Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen auf, der entgeistert fragte, „wie man mit molekulargenetischen Untersuchungen Nationalitäten nachweisen kann."

Derweil mahlen in Essen wie in Bremen die Mühlen der Verwaltung weiter. Erklärtes Ziel auch in Essen: die Abschiebung.

„Bei den meisten ist die Nationalität klar", sagt Amtsleiter Lorenz — und meint damit, dass die arabischsprachigen Libanesen verwaltungstechnisch ausnahmslos die Türkei als Herkunftsland haben.

„Die Türkei ist kein Bananenstaat“

Allerdings sei es ein „Puzzlespiel", das auch belegen zu können. Wie in Bremen vertrauen auch die Essener auf das türkische Personenstandsregister — auch wenn dessen Echtheit vielfach angezweifelt wurde. Lorenz: "Wenn der Eintrag vorliegt, gehen wir in die Verfügung — die Türkei ist kein Bananenstaat."

Wie in Bremen wird bei den Abschiebungen auch nicht Halt vor libanesischen Kindern gemacht, die in Deutschland aufgewachsen sind. „Die Kinder erleiden das Schicksal der Eltern, wenn denen ein Fehlverhalten nachgewiesen worden ist", erklärt der EssenerAmtsleiter.

Eins haben sich die Essener allerdings erspart — und damit viele Querelen: Innen- und Sozialverwaltung haben keine Vereinbarung zur Verrechnung „eingesparter" Sozialhilfe geschlossen. Der finanzielle Aspekt der Abschiebung steht hier offenbar nicht so sehr im Vordergrund. Lorenz: „Wir schieben auch nicht zuerst die Sozialhilfeempfänger ab." ksc