Ja, Meinungsfreiheit!

Sieben Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft die Verantwortlichen für ein Anti-Bundeswehr-Plakat durch alle Instanzen verfolgt. Seit gestern steht höchstrichterlich fest: „Ja, Morden“ ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Ströbele: Voller Erfolg

„Wer ein solches Handwerk betreibt, muss sich auch der Kritik stellen“

von PLUTONIA PLARRE

Für Antimilitaristen ist es eine späte Genugtuung, für die Staatsanwaltschaft eine schallende Ohrfeige. Nach jahrelanger Verfolgung haben die Verantwortlichen für ein Anti-Bundeswehr-Plakat gestern vor dem Berliner Kammergericht endgültig Recht bekommen. Das Plakat mit der Aufschrift „Ja, Morden“ sei von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt, befanden die Richter des 5. Strafsenats und verwarfen damit den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Revision.

Das Poster war als Reaktion auf die Werbung der Bundeswehr entworfen worden, die in einer dreiteiligen Serie unter den Titeln „Ja, Helfen“, „Ja, Dienen“, „Ja, Tapferkeit“ ihr Image aufzubessern versucht hatte.

Zu Ende gegangen ist damit ein siebenjähriger Rechtsstreit, der von der Staatsanwaltschaft unerbittlich durch die Instanzen getrieben worden war. Dabei hätten die Ankläger spätestens nach dem Urteil des Landgerichts einsehen müssen, dass das Anti-Bundeswehr-Plakat als Satire zu werten und somit nicht strafbar ist. Mit dieser Begründung hatte das Landgericht schon im April 1998 die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt und die für das Plakat presserechtlich verantwortliche ehemalige Vorsitzende des Astas der TU, Gerit Ziegler, vom Vorwurf der Beleidigung und Volksverhetzung freigesprochen. Nachdem sie neuerlich Rechtsmittel eingelegt hatte, holte sich die Staatsanwaltschaft gestern beim Kammergericht endgültig eine blutige Nase.

Der grüne Bundestagsabgeordnete und entschiedende Kriegsgegner Christian Ströbele, der die Angeklagte beim Marsch durch die Instanzen als Anwalt vertrat, wertete das Urteil gestern als „vollen Erfolg“ für die Antimilitarismusbewegung. „Wer ein solches Handwerk betreibt, muss sich auch der Kritik stellen“, sagt Ströbele mit Blick auf die Bundeswehr. Auch der Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, Ralf Siemens, ist froh. „Der Kriminalisierungsversuch ist ins Leere gelaufen.“

Der Einzige, von dem gestern kein Kommantar zu haben war, ist der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Paul Breuer. Er wolle erst die schriftliche Urteilsbegründung sehen, sagte ein Mitarbeiter. Breuer hatte 1995 die ersten von mehreren Strafanträgen gestellt, als die Kamapagne gegen Wehrpflicht mit dem provokativen Plakat herausgekommen war.

Nach ihm hatten auch führende Bundeswehroffziere und der damalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) Anzeige wegen Beleidigung und Volksverhetzung erstattet. Es folgte eine Welle von Durchsuchungen, Anklagen und Prozessen.

In das Büro der Kampagne gegen Wehrpflicht waren Polizei und Staatsanwaltschaft gleich zweimal eingeritten und hatten kistenweise originalverpackte Plakate beschlagnahmt. Aber auch die Redaktionsräume der taz und der jungen Welt, die das Plakat als Anzeige abgedruckt hatten, wurden durchsucht.

Sogar ein Diplompädagoge aus Potsdam, der bei einer Demonstration ein entsprechendes Plakat mit sich geführt hatte, war wegen Beleidigung angeklagt woren. Auch dieser Prozess endete mit Freispruch.

Schön sei das für die Betroffenen nicht gewesen, erinnert sich Kampagnensprecher Siemens. Wenn es der Staatsanwaltschaft jedoch darum gegangen sei, die Bewegung „durch Einschüchterung mundtot zu machen“, sei ihr das auf jeden Fall nicht gelungen.