Ökobauern: Keine Lust auf Sonnleitner

Nach Krise ihres Verbands organisieren sich Ökobauern lieber neu, als sich vom Bauernpräsidenten umarmen zu lassen

BERLIN taz ■ Es war die große Stunde des Deutschen Bauernverbandes. „In der öffentlichen Diskussion wurden wieder einmal die Bauern an den Pranger gestellt“, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. Und: „Wir werden uns öffentlich hinter die Ökobauern stellen. Wir werden sie verteidigen!“ Verteidigen? Gegen wen denn?

Am Dienstag hatte der Fachausschuss „Ökologischer Landbau“ des Deutschen Bauernverbandes ein 6-Punkte-Aktionsprogramm verabschiedet, das sofortige Hilfen für alle Ökobetriebe fordert. Die Entschädigung der betroffenen Betriebe müsse umgehend durch Bund und Länder veranlasst werden. Der Bauernverband will zudem die zivilrechtliche Entschädigung der direkt und mittelbar betroffenen Betriebe prüfen. Es müsse jetzt „alles unternommen werden, die bisher positive Entwicklung auf den Märkten für Ökoprodukte nicht abbrechen zu lassen“, heißt es in der Erklärung des Bauernverbandes. Sonnleitner geht noch weiter: „Die Prüfverbände wurden von Ministerin Künast politisch massiv gepusht, sollten Märkte erobern. Bisherige Öko-Zertifizierungen reichen offenbar nicht, wie die in Nitrofen involvierten Firmen zeigen.“

Für Thomas Dosch ist das ein abgekartetes Spiel. „Der Bauernverband hat bislang den ökologischen Zweig der Landwirtschaft grob vernachlässigt. Jetzt versucht er ihn zu vereinnahmen“, sagt der Geschäftsführer des Anbauverbandes Bioland. Gute Biobauern, böse Ökoverbände – Sonnleitner versuche mit Schwarzweißmalerei die Ökobranche auseinander zu dividieren. Und in der Tat scheint die Gelegenheit so günstig wie nie. „Die Politik sucht Schuldige, und das Pendel bewegt sich im Moment zwischen den Öko-Kontrollstellen und den Verbänden“, erklärt der Bioland-Chef.

Allerdings: Es war immerhin Doschs Partnerverband Naturland, der Informationen über Nitrofen zwar hatte, aber nicht weitergab. Danach gefragt reagiert Dosch vorsichtig, wohl auch, weil ihm vorgeworfen wird, sich auf Kosten des Naturland-Verbandes zu profilieren. Kornelie Blumenschein, Chefin des südostdeutschen Anbauverbandes Gäa, formuliert es so: „Wir können nicht sagen: Naturland ist der Hauptschuldige. Die Enthüllungen der letzten Tage zeigen: Es hat auf vielen Ebenen Informationsdefizite gegeben.“ Der Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Sepp Bichler, nannte die Nichtinformations-Politik von Naturland „ungeheuerlich“. Jetzt habe der Verband „Erklärungsnotstand“. Immerhin sieht Dosch einen „heilsamen Selbstreinigungsprozess“ bei Naturland. „Es macht keinen Sinn, die Branche jetzt auseinander zu dividieren. Angesichts der Politik des Bauernverbandes müssen wir zusammenstehen.“

Gestern Nachmittag traten deshalb die Öko-Akteure in Mainz zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Gründung eines neuen Branchenverbandes als Pendant zu Sonnleitners Bauernverband. Der Branchenverband soll auch den bisherigen – die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau, Agöl – ersetzen. In der Agöl sind über 3.700 Mitgliedsbetriebe organisiert. „Das wesentlich Neue an dem Branchenverband ist, dass in diesem Verbund Verarbeiter, Verkäufer und Vermarkter mit den Biobauern zusammenarbeiten“, sagt Dosch. Was bislang viele Bauern ablehnten. Unklar war gestern deshalb, wie weit der Weg noch ist. Dosch: „Die richtige Antwort für Sonnleitner wäre die Gründung aber schon.“ NICK REIMER