Hunger tötet täglich 100.000

Noch immer sterben mehr Menschen an Unterernährung als in allen Kriegen zusammen. Jetzt proklamieren die Staaten der Welt zum Auftakt des Welternährungsgipfels eine „Allianz gegen den Hunger“. Die letzte solche Erklärung blieb folgenlos

BERLIN taz ■ Etwa 100.000 Menschen sind gestern weltweit an Hunger und seinen Folgen gestorben. Vorgestern auch. Und heute wird es wieder geschehen. Das geht aus den Berechnungen der UN-Agrarorganisation FAO sowie der Deutschen Welthungerhilfe hervor. Anders ausgedrückt: ein Toter pro Sekunde, über 36 Millionen im Jahr.

Die wenigsten von ihnen sind im strengen Sinne verhungert. Meist handelt es sich um geschwächte, unterernährte Menschen, die an Dingen sterben, die ein wohlgenährter Mensch überlebt. Viele sind untergewichtige Kinder, die schmutziges Wasser trinken und den nachfolgenden Durchfall nicht überleben. Andere leiden an Infektionskrankheiten, gegen die ihre geschwächte Abwehr machtlos ist.

„Eine der schlimmsten Verletzungen der Menschenwürde“, nannte das der UN-Generalsekretär Kofi Annan gestern in Rom zur Eröffnung des Welternährungsgipfels der FAO. „In einer Welt des Überflusses liegt es in unserer Macht, den Hunger zu beenden. Das Versagen, dieses Ziel zu erreichen, sollte uns alle mit Scham erfüllen.“

826 Millionen unterernährte Menschen zählte die FAO im Jahr 2000 auf der Welt. Jedes Jahr sinkt diese Zahl um 6 Millionen. Das heißt, dass 30 Millionen Menschen jedes Jahr neu in diese Kategorie rutschen – weil sie verarmen, weil Krieg ihre Lebenszusammenhänge zerstört, weil sie in eine mittellose Familie geboren werden. Und 36 Millionen andere sterben.

Die Gipfelteilnehmer verabschiedeten eine „Internationale Allianz gegen den Hunger“, in der die Ziele des letzten Welternährungsgipfels von 1996 bekräftigt werden. Damals war beschlossen worden, die Zahl der Hungernden weltweit bis 2015 zu halbieren. Die Realität ist weit davon entfernt. FAO-Generaldirektor Jacques Diouf sprach von „mangelndem politischem Willen“.

Die FAO forderte besseren Zugang auf den Weltmarkt für Exporte der ärmsten Länder und mehr Investitionen in ihre Landwirtschaft. Das richtet sich an die reichen Industriestaaten. Aber mit Ausnahme Spaniens hat keiner von ihnen einen Staats- oder Regierungschef zum Hungergipfel geschickt. D.J.

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