Angola verhungert

Hilfswerke: Regierung und die UNO angesichts eines drohenden Massensterbens untätig. UNO beleidigt

JOHANNESBURG taz ■ Die Regierung in Angola hat ihr Volk kriminell vernachlässigt und eine halbe Million Menschen dem drohenden Hungertod überlassen. Das sagte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Dienstag in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Auch die Reaktion der UNO komme zu spät. „Die Welt lässt bewusst zu, dass Angolaner verhungern“, sagte Dr. Morton Rostrup, Präsident der internationalen Organisation von MSF.

Angolas Regierung und die Rebellenbewegung Unita hatten am 4. April einen Waffenstillstand beschlossen. Das UN-Welternährungsprogramm WFP unterstützt mit Nahrungsmittelhilfe bereits eine Million Angolaner, die in Hilfslagern betreut werden. Doch Vorräte sind knapp, die Rationen sind reduziert worden und die Reserven laufen in den nächsten Monaten aus. Gleichzeitig ist der Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen aus Dörfern und entlegenen Gegenden in die UN-Lager stark gestiegen. Denn seit der Einstellung der Kämpfe haben Hilfswerke jetzt erstmals Zugang zu Gegenden, die bisher gänzlich von Hilfe abgeschnitten waren. „Jeden Tag finden wir in solchen Gebieten Unterernährte in schrecklichem Zustand und hohe Todesraten“, sagte Rostrup. Seine Mitarbeiter berichten von dem verheerendsten Szenario außerhalb des Sudan.

Hauptverursacher der Hungerkatastrophe ist nach Ansicht von Ärzte ohne Grenzen die Regierung. Durch die Kriegstaktiken beider Parteien seien Felder und Dörfer niedergebrannt und Tausende ohne Heimat und Unterstützung zurückgelassen worden. Vier Millionen Menschen sind im Krieg vertrieben worden. „Die Regierung hilft zwar notdürftig in den Lagern, in denen ehemalige Unita-Kämpfer mit ihren Familien leben, doch Hilfe für die Zivilbevölkerung existiert nicht“, sagt Rob Broeder, Leiter des niederländischen MSF-Teams in Luanda.

Zu Beginn des Waffenstillstandes hatte die Regierung 57 Millionen US-Dollar für Hilfsaktionen bereitgestellt. „Nichts ist davon ausgegeben worden“, behauptet Broeder. „Wir werfen den Vereinten Nationen und WFP nicht Unwillen vor, jedoch ist die humanitäre Antwort auf Angola nicht stark und nicht zeitig genug.“ Trotz Warnungen im April habe sich die Krise ausgeweitet, während notwendige Sicherheitsgarantien für Hilfsoperationen verzögert wurden. „Die UN hat diese Krise zu lange als normales Geschäft betrachtet“, so Broeder. „Hier sterben bereits täglich Menschen den Hungertod.“

Die UNO reagierte gestern scharf auf die Angriffe. Man arbeite „pausenlos“, um mehr Hilfe nach Angola zu bringen, erklärte das UN-Büro für humanitäre Hilfe in der angolanischen Hauptstadt. Die UNO habe aber „nicht genug Ressourcen, um alle Bedürfnisse zu befriedigen“.

MARTINA SCHWIKOWSKI