Streit um Agrarexporte

Teilnehmer des Welternährungsgipfels in Rom fordern, dass Industrieländer ihre Agrarmärkte endlich öffnen. Umstritten ist aber die Frage: Helfen mehr Exporte den Entwicklungsländern wirklich?

von KATHARINA KOUFEN

Dieser Punkt ist längst Konsens: Der Protektionismus der reichen Länder schadet den Entwicklungsländern. Beinahe einmütig fordern die Teilnehmer des Welternährungsgipfels in Rom deshalb, dass die Industrie- und Schwellenländer ihre Agrarmärkte vor allem für Produkte aus Afrika und Lateinamerika öffnen. „Am Hunger ist nicht ein Mangel an Technik oder gutem Saatgut schuld und auch nicht das Wetter“, sagte der ugandische Präsident Yoweri Museveni auf dem Gipfel, der heute zu Ende geht. „Die wirklichen Ursachen sind die Kriege und der Agrarprotektionimsus in Europa, den Vereinigten Staaten, China, Indien und Japan.“

Uneins dagegen sind sich die Experten nach wie vor in der Frage, wieweit dann aber die Exportorientierung den Entwicklungsländern hilft. Marktliberale wie Federico Foders vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (KfW) gehen davon aus, dass Exporte „stets zu mehr Beschäftigung, Einkommen und weniger Armut“ führen. In einer von der taz organisierten Kontroverse mit Vertretern von Entwicklungsverbänden begründete Foders dies mit der Notwendigkeit, Devisen zu erwirtschaften: „Höhere Deviseneinnahmen aus Ausfuhren begründen die Einfuhr von dringend benötigten Nahrungsmitteln und Medikamenten, von Saatgut und anderen Vorleistungen für die Landwirtschaft.“

Die Überzeugung, dass Agrarexporte genügend Devisen bringen, um davon Nahrungsmittel aus dem Ausland zu bezahlen, halten die Vertreter der Entwicklungsverbände für naiv. „Arme Länder haben in der Regel nur ein oder zwei Produkte, die sie auf dem Weltmarkt anbieten können“, so Bernhard Walter vom Evangelischen Entwicklungsdienst in Berlin. „Wenn aber alle das Gleiche exportieren, kommt es zu einem Überangebot, und der Preis fällt.“ Die Strategie des Internationalen Währungsfonds etwa, der den Entwicklungsländern seit Jahren rät, ihre Exporte zu erhöhen, um Schulden zurückzuzahlen, sei deshalb falsch. Beispiel Vietnam: Das Land wurde innerhalb weniger Jahre zum zweitgrößten Kaffeeexporteur der Welt, doch der Weltmarktpreis für Kaffee fällt und fällt. Walter: „Das endet in einer Spirale nach unten.“

Damit Exportorientierung überhaupt zu Entwicklung führen kann, müsse zunächst Infrastruktur aufgebaut werden, meint auch Johannes Brandstätter vom evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. „Der Reisbauer aus Kamerun, der einige hundert Kilometer vom Hafen entfernt lebt, hat sonst gar nichts davon.“

Brandstätter und Walter fordern stattdessen eine andere Zollpolitik von USA und EU. Bis jetzt gilt: je weiter verarbeitet ein Produkt, desto höher die Zölle. „Cappuccinopulver zu exportieren ist viel teurer, als Rohkaffee zu liefern“, bemängelt Walter. „Die Wertschöpfung findet in Europa statt.“ Obendrein laufe ein Land, das auf Agrarexporte setzt, Gefahr, die Ernährungssicherheit im eigenen Land zu vernachlässigen.

Diese Bedenken teilt KfW-Experte Foders nicht: Für die Versorgung mit Nahrungsmitteln brauche es Devisen, keine Eigenproduktion, so der Wissenschaftler: „Es geht ja nicht um die mengenmäßige Verfügbarkeit, sondern darum, die Armut zu bekämpfen – und das ist gleichbedeutend mit einer dauerhaften Erhöhung der individuellen Einkommen.“ Nur so könne die Bevölkerung in die Lage versetzt werden, die Subsistenzwirtschaft aufzugeben und sich „die Nahrungsmittel auf dem Markt zu kaufen“. Foders zitiert den britischen Ökonomen David Ricardo: „Es ist stets vorteilhaft, Güter zu importieren, die im Inland nur zu höheren Kosten als im Ausland hergestellt werden könnten.“