Mehr Männer in die Kitas

Zu einem gesellschaftlichen Umdenken haben Frauenquoten noch nicht geführt. Eine Quote, die auch Männer in Frauenberufe bringt, könnte einen Wandel bewirken

Haben Sie schon mal davon gehört, dass jemand einen Tagesvater sucht?

Eine ganz normale deutsche Familie: Christina Delius hat eine akademische Karriere hinter sich. Erst am University College of Wales und dann am King’s College in London, wo sie den Master of Arts erwirbt. 1982 hat sie dann den Politiker Johannes Rau geheiratet, dessen Karriere im Laufe der Jahre deutliche Fortschritte gemacht hat. Heute ist er Bundespräsident und freut sich, wenn er wenigstens zum Frühstück mal Zeit für die drei gemeinsamen Kinder hat. Und sie? Christina Rau taucht nur noch als „Frau des Bundespräsidenten“ auf der Internetseite ihres Mannes auf. Ganz normal in Deutschland.

Dabei geht es auch anders. Im „Schneckenhaus“, einer Kita in Dresden, kümmern sich seit Jahren zwei Frauen und zwei Männer um die Kinder: eine Betreuerin, ein Betreuer, ein Zivi und eine Frau im freiwilligen sozialen Jahr. Die Betreuerin ist hart, aber herzlich, der Betreuer eher der mütterliche Typ. Am praktischen Beispiel erleben die Kinder dort, dass Erziehungsarbeit keine Frauensache ist. Und den klassischen Job der Putzfrau hat ein Mann. Putzen muss nämlich der Zivi. So schön kann das Leben manchmal sein.

Üblich aber ist in Deutschland etwas völlig anderes: Bis zum Ende der Grundschule bekommen die meisten Kinder tagsüber nur Frauen zu sehen. Frauen sind Hebammen, Krippenerzieherinnen, Tagesmütter und Grundschullehrerinnen. Haben Sie schon mal davon gehört, dass jemand einen Tagesvater sucht? Auch Au-pair-Jungs sind die absolute Ausnahme. Die Frauenquote hat viel bewegt und Frauen in Positionen gebracht, die vor zehn Jahren noch unvorstellbar waren. Doch am Bild der Frau als Mutter und Hausfrau hat das fast nichts geändert. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ein Problem für die Frauen. Nötig ist also keine Frauenquote mehr, die Frauen die Chance bietet, so zu werden, wie Männer schon sind. Nötig ist eine Geschlechterquote. Sie würde nicht sofort etwas ändern, aber sie könnte einen Bewusstseinswandel einleiten. Zumindest öffentliche Kindergärten, Krankenhäuser und Schulen sollten bei Neueinstellungen problemlos so lange Männer bevorzugt berücksichtigen, bis das Verhältnis ausgeglichen ist. Wenn Fördergelder an diese Bedingung geknüpft werden, würden sich vermutlich auch die privaten Arbeitgeber an eine solche Quote halten.

Die fehlenden Männer in vielen Bereichen haben heute nämlich eine fatale Wirkung. Jungs verkünden in der Schule inzwischen wieder, Kinder seien nur etwas für Mädchen. Es hat auch keinen Zweck, Jungs und Mädchen in dieser Frage erziehen zu wollen. Sie machen uns letztlich doch alles nach. Selbst viele emanzipierte Frauen halten Putzfrauen für die Lösung ihrer Haushaltsprobleme. Die Botschaft an die Kinder ist eindeutig: Frau putzt. Entweder die Mutter oder eben die Putzfrau.

Schon 12- bis 15-jährige Mädchen verrichten mehr Hausarbeit als Jungen. Und während junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren, einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge, täglich eine Stunde Zeit für Hausarbeit und Kinderbetreuung übrig haben, müssen gleichaltrige Frauen dafür fast drei Stunden aufbringen. Rund 45 Prozent der 16- bis 23-jährigen Männer sind der Meinung, dass das auch völlig in Ordnung so ist. Gleichzeitig wünschen sich zwei Drittel der unter 30-jährigen Frauen, dass mehr Männer in Erziehungszeit gehen. Eine Geschlechterquote könnte den Frauen helfen. Sie ist auch relativ einfach zu machen, Schweden macht es seit Jahren vor. Dort muss sich der Vater an der Erziehungszeit beteiligen, sonst entfallen für einen Monat die finanziellen Leistungen.

Doch in Deutschland landen viele Familien spätestens beim ersten Kind wieder im normalen Trott. Der Vater kommt abends gestresst nach Hause und will vom gefütterten, gewickelten und gut riechenden Baby noch hören, wie es Papa und Auto sagt. Schließlich interessiert sich der moderne Mann für seine Kinder. Aber dann schnell ab ins Bett mit dem kleinen Quälgeist. Wer als Vater dagegen Verantwortung übernimmt, bekommt ein freundliches Schulterklopfen – und wird belächelt.

Nun soll das nicht heißen, dass sich nichts geändert hat. Die Männer haben sich inzwischen angewöhnt, den Frauen im Haushalt zu helfen. Zu helfen! Die Hausarbeit wird nicht etwa geteilt, sondern die Männer helfen den Frauen. Ab und zu werden die Kinder von der Schule abgeholt. Oder abends wird mal auf die Kids aufgepasst, damit die Frauen ausgehen können. Ernsthaft einmischen aber wollen sich die wenigsten Männer in die Kinderbetreuung. Die Frauen sollen bestenfalls vor Überlastung geschützt werden, damit sie im Haushalt weiter funktionieren und rotieren können. Sonst könnten die ja auf die Idee kommen, auch im Privatleben die Aufgaben quotiert zu verteilen.

Von einigen Frauen allerdings droht da wenig Gefahr: Sie können und wollen ihre Machtposition im Haus gar nicht aufgeben. Wenn die Männer schon im öffentlichen Leben das große Wort schwingen, wollen sie sich nicht auch noch den Kochlöffel und die Windel aus der Hand nehmen lassen. Schließlich sind Männer zwar angeblich technisch begabter, aber wie man eine Waschmaschine bedient, lernen die meisten erst, wenn die Frau mal im Krankenhaus liegt. Sehr oft passiert das bei der Geburt des ersten Kindes. Vielleicht ein Grund, warum sich danach so oft das traditionelle Familienmuster durchsetzt. Während Frau und Kind im Krankenhaus liegen, muss der Mann zum ersten Mal den Haushalt allein schmeißen. Eine Erfahrung, die den meisten Männern offenbar für lange Zeit erst mal reicht.

Die meisten Kinderin Deutschlandbekommen tagsüber nur Frauen zu sehen

Eine Geschlechterquote wird nur dann funktionieren, wenn auch die entsprechenden steuerrechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Oft genug geht es gar nicht um Rollenbilder, sondern schlicht ums Geld. Die so genannten frauenspezifischen Berufe werden oft deutlich schlechter bezahlt. Wenn dann die Frage steht, wer weniger verdient, also zu Hause bleiben soll, werden die Frauen zum zweiten Mal bestraft. Hier müssen Gewerkschaften und Arbeitgeber endlich umsteuern. Mit dem Ehegattensplitting werden nach wie vor die Ehen belohnt, die Haus- und Erwerbsarbeit möglichst ungerecht untereinander aufteilen. Die Steuerersparnis ist dann am größten, wenn der Verdienstunterschied am größten ist. Wer dagegen eine partnerschaftliche Aufteilung anstrebt und damit gegen die vorherrschenden Geschlechterrollen opponiert, verliert. Damit ist Gerechtigkeit im Haushalt Luxus für die, die es sich leisten können.

Nötig sind also mehr politische Entscheidungsträger, die bereit sind, Privilegien der Männer zu kippen. Genauso nötig sind aber mehr Männer, die bereit sind, auf Privilegien zu verzichten und keine Angst vor vermeintlichen Frauenberufen haben. Wir brauchen mehr Kindergärtner, mehr Putzmänner und mehr Geburtshelfer. Und eine Bundespräsidentin, die ihrem Mann bei der Hausarbeit hilft. Wenn sie Zeit dafür hat.

NILS FLORECK