„Es ist Papier gefüllt worden“

Jochen Donner von der Welthungerhilfe nach dem Welternährungsgipfel: „Da ändert sich nichts“

taz: Hat der Welternährungsgipfel die Realisierung des FAO-Zieles, die Zahl der Hungernden auf der Welt bis 2015 zu halbieren, näher gebracht?

Jochen Donner: Da haben wir große Zweifel. Es sind keine harten Zusagen gemacht worden. Die FAO wird nicht in der Lage sein, die Staaten zu mobiliseren.

Warum nicht?

Man muss die Mechanismen kennen. Im Abschlussdokument wird betont, dass die Staaten jedes Jahr dem „Committee for World Food Security“ der FAO berichten, was sie getan haben. Die Berichte werden aber nicht hinterfragt, es gibt kein Monitoring, und die Zivilgesellschaft hat keine Möglichkeit, die Berichte zu kommentieren oder eigene Berichte einzuschicken. Da ändert sich nichts.

Gibt es jetzt nicht doch mehr politischen Willen, mehr gegen den Hunger zu tun?

Die Gipfelerklärung bestätigt einfach dieses Ziel. Es wird das bisherige Versagen anerkannt. Dann appellieren die Staaten an sich selbst, mehr zu tun. Das ist keine Garantie, dass sie etwas tun werden. Letztendlich scheitert es immer an den Finanzministern.

Können Nichtregierungsorganisationen daran etwas ändern?

Wir können nur an Regierungen appellieren und ansonsten mit unseren eigenen Mitteln handeln. Das tun wir auch, aber gemessen am Gesamtbedarf ist dieser Beitrag klein.

Ist es nicht sinnvoller, selbst aktiv zu werden, statt auf Regierungen zu warten?

Wir warten schon lange nicht mehr auf Regierungen. Was wir tun, ist, die Stimme zu erheben. Zum Beispiel fordern wir Agrarreformen. Die meisten Entwicklungsländer sträuben sich gegen notwendige strukturelle Reformen im Agrarbereich. Wenn Land ungleich verteilt ist, müssen Eigentumstitel für Kleinbauern und Frauen gesichert werden, um den Menschen Rahmenbedingungen zu geben, unter denen sie wirtschaften können.

Gibt es Länder, in denen das geschieht und der Druck von unten funktioniert?

Es gibt zum Beispiel auf den Philippinen eine sehr starke, organisierte Zivilgesellschaft, und es findet dort auch schon lange eine organisierte Agrarreform statt. Über die Hälfte des verfügbaren Landes ist bereits an Kleinbauern verteilt worden. Schwierig ist nun, die Besitzer von Zucker- und Ananasplantagen in diesen Prozess hineinzubekommen. Man kann das ja nicht machen wie die Zwangsenteignungen ohne Entschädigung in Simbabwe.

Es war auf dem Gipfel viel vom „Recht auf Nahrung“ die Rede. Ist das ein hilfreicher Begriff oder nur ein abstrakter Begriff, mit dem man Papier füllt?

Es ist Papier gefüllt worden und es wird weiter Papier gefüllt werden. Der konkreteste Gipfelbeschluss ist, innerhalb von zwei Jahren eine „Intergovernmental Working Group“ einzurichten, um freiwillige Richtlinien zur Umsetzung des „Rechts auf Nahrung“ auszuarbeiten. Das „Recht auf Nahrung“ ist seit 1976 völkerrechtlich anerkannt. Das ist schon sehr lange her, und das sollte zu denken geben. Es ist nicht handfest genug, damit zum Beispiel Menschen in Simbabwe gegenüber ihrer Regierung ein Klagerecht gegen falsche Agrarpolitik hätten.

Ist die FAO überhaupt das geeignete Instrument für den Kampf gegen Hunger?

Ich denke nicht. Es ist eine Fachorganisation, aber sie kann gegenüber ihren Mitgliedstaaten nichts durchsetzen. Man bräuchte einen UN-Wirtschafts- und Sozialrat mit Sanktionsmöglichkeiten, analog zum Sicherheitsrat. Das bedeutet natürlich Einschränkung der nationalen Souveränität. Das wollen Staaten nicht, aber es ist absolut notwendig. INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON