Vielfach seltenes Leben auf dem Todesstreifen

Studie belegt den ökologischen Wert des Grünen Bandes an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. BUND fordert Biotopverbund

DUDERSTADT/BERLIN taz ■ Jetzt ist es belegt: Der ehemalige deutsch-deutsche Grenzstreifen ist ein einzigartiges Juwel der deutschen Naturlandschaft. Das zeigt die aktuelle Bestandsaufnahme des Grünen Bandes, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gestern in der Nähe von Duderstadt bei Göttingen vorstellte. Ein Jahr lang haben sechs Kartiererteams aus Biologen und Geografen den Streifen untersucht, den die DDR-Führung 40 Jahre lang mit Selbstschussanlagen und Stacheldraht abgeschirmt hatte und den sich die Natur dadurch zurückerobern konnte.

Erleichtert nahmen die Naturschützer das Ergebnis auf, dass das Grüne Band noch zu 90 Prozent intakt ist, lediglich 10 Prozent wurden durch landwirtschaftliche Nutzung legal und illegal zerstört. Auf dem intakten Gebiet hat der BUND eine enorme Bandbreite von 80 Biotoptypen erfasst. 32 der in Deutschland und Europa gefährdeten Biotoptypen zählen dazu. Darunter seltene orchideenreiche Buchenwälder und Zwergstrauchheiden, in denen auch die bedrohten Braunkehlchen und Neuntöter vorkommen. Sogar die äußerst seltenen Fischotter leben im ehemaligen Kfz-Sperrgraben der abgebauten Grenzanlagen bei Salzwedel.

Bisher sind nur 28 Prozent des Grünen Bandes in eine Schutzkategorie eingeordnet. Als Biotopverbund schützenswert ist jedoch das gesamte Grüne Band, sagt der BUND jetzt.

Noch werden die Ansprüche von Alteigentümern auf das Land überprüft, bis 2003 will das Bundesfinanzministerium alle Anträge bearbeitet haben. Bisher haben Alteigentümer 15 Prozent der Fläche im Grünen Band erhalten. „Dann kann der Ausverkauf des Grünen Bandes erst richtig losgehen, ob es sich um Flächen in Naturschutzgebieten handelt oder nicht“, befürchtet Liana Geidezis vom Projektbüro Grünes Band. Denn auch nach Abgeltung aller Ansprüche von Alteigentümern bleibt das Bundesfinanzministerium mit etwa 60 Prozent größter Besitzer. Mit Verweis auf das „Verwertungsgebot“ aus dem Mauergrundstücksgesetz von 1996 will das Ministerium die Grundstücke auf dem freien Markt verkaufen.

Der BUND und die Länder Hessen, Bayern und Thüringen protestieren seit Jahren dagegen und fordern das Finanzministerium auf, den Ländern Grundstücke kostenlos für eine spätere Einweisung in eine Schutzkategorie zu übertragen. Doch bis heute lehnt Finanzminister Hans Eichel (SPD) dies zum großen Teil ab. Bundesumweltminister Trittin (Grüne) hat die Bestandsaufnahme beauftragt und mit 348.000 Euro bezahlt, stellt sich aber nicht gegen Eichel. Dabei beinhaltet das Mauergesetz eine Ausnahmeregelung für Grundstücke, die die Bundesregierung im öffentlichen Interesse verwenden möchte: Ein nationaler Biotopverbund, wie im neuen Bundesnaturschutzgesetz gefordert, läge im öffentlichen Interesse und das Grüne Band drängt sich als Teil eines solchen Verbundes geradezu auf, argumentiert der BUND.

Es ist ein „Wettlauf gegen die Zeit“, sagt Geidezis: Verkauft werden kann ein Grundstück im Grünen Band innerhalb von zwei Wochen, zerstört an einem Tag. Die Ausweisung eines eng begrenzten Schutzgebietes dauert wegen der komplizierten Verfahren und der karg ausgestatteten ostdeutschen Naturschutzbehörden dagegen Jahre.

Mit den aktuellen Ergebnissen zur Bestandsaufnahme Grünes Band will der BUND Druck auf die Bundesregierung machen, damit vom „Band“ nicht nur ein paar zerschlissene Fäden bleiben. MARTIN WÜNDERLICH