USA gegen den Rest der Welt

Krise im Weltsicherheitsrat. US-Regierung droht mit Blockade von Friedensmissionen. Anlass ist die Kritik am Internationalen Strafgerichtshof. Deutsche SFOR-Soldaten bleiben vorerst in Bosnien

BERLIN/NEW YORK/BRÜSSEL dpa/ap/taz ■ Die in Bosnien-Herzegowina stationierten deutschen Soldaten bleiben ungeachtet des Streits zwischen den USA und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag vorläufig im Lande. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte am Montag in Berlin, die Soldaten würden ihre operativen Maßnahmen einstellen und in ihre dortigen Kasernen zurückkehren, falls das SFOR-Mandat am 3. Juli tatsächlich auslaufe. Die USA hatten eine Verlängerung des Bosnien-Mandats im Weltsicherheitsrat verhindert, weil der Strafgerichtshof amerikanischen Blauhelmsoldaten und Polizisten keine generelle Straffreiheit zusichern will.

Die Entscheidung der USA traf international auf Unverständnis. Frankreichs UN-Botschafter äußerte seine Verärgerung über die USA öffentlich. „Schwer nachvollziehbar“, nannte Jean-David Levitte Washingtons Entscheidung. Der britische Außenminister Jack Straw startete intensive Bemühungen, um den angedrohten Rückzug der USA aus UN-Friedensmissionen in Bosnien zu verhindern. In einem BBC-Interview sagte Straw, er habe in dieser „ernsthaften Angelegenheit“ bereits intensive Gespräche mit US-Außenminister Colin Powell geführt. „Wir versuchen, die Befürchtungen der Amerikaner zu zerstreuen“, sagte Straw. Bis Mittwochnacht soll der Sicherheitsrat nun entscheiden, wie es mit dem internationalen Friedenseinsatz in Bosnien-Herzegowina weitergeht. „Wir erleben ein Theaterstück der Supermachtpolitik“, sagt ein westlicher Diplomat hinter vorgehaltener Hand, „es heißt ‚Uncle Sam gegen den Rest der Welt‘.“

Bedenken gegen eine mögliche Verfolgung ihrer Sicherheitskräfte durch den IStGH in Den Haag haben zwar auch Länder wie Israel, Russland und China. Doch nach dem inzwischen von 74 Staaten ratifizierten IStGH-Vertrag muss kein Land auch nur einen seiner Soldaten an den Gerichtshof überstellen, wenn es Vorwürfe gegen ihn durch seine nationale Justiz prüfen lässt. Erst recht trifft das auf Nichtmitglieder des Vertrags wie die USA zu.

Auf den Einsatz der SFOR-Truppe selbst hat das Veto der USA nach Angaben der Nato keine unmittelbaren Auswirkungen. Der SFOR-Einsatz stehe nicht vor einem plötzlichen Aus. Dennoch kamen die Botschafter der 19 Nato-Staaten gestern zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammen. Nato-Diplomaten berichteten anschließend, dass eine Zustimmung der UNO zum Bosnien-Einsatz von allen Nato-Partnern gewünscht werde, auch wenn nur der deutsche Einsatz von einem UN-Mandat abhängig sei. Die Nato wies auf die intensiven Bemühungen hin, im Sicherheitsrat doch noch eine Verständigung zu erreichen. Bundesaußenminister Joschka Fischer erklärte, es bestehe die Notwendigkeit, UN-Kräfte in Bosnien zu stationieren. Blieben die USA bei ihrer starren Haltung, wäre ein neuer Beschluss des Bundestages erforderlich, damit die 1.700 Bundeswehrsoldaten das SFOR-Mandat weiter erfüllen können.

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