Sein böser Zauberkasten

Ku-Klux-Klan-Komplex und die Panzer des Konsums: Die amerikanischen Südstaaten sind das Thema des Künstlers William Christenberry. Seine erste deutsche Einzelausstellung ist nun in Köln zu sehen

Seine Wut ist dieeines Menschen,der die Täternur zu gut kennt

von JULIA GROSSE

An einem Abend im Jahre 1966 gelang es William Christenberry, eine kleine 35-mm-Kamera unter seiner Jacke in eine Versammlung des Ku-Klux-Klans in Memphis zu schmuggeln. Fotografieren war strengstens verboten; Christenberry drückte auf seinen Auslöser, ohne zu sehen, was er eigentlich aufnahm. Der amerikanische Künstler besuchte noch zwei weitere Klan-Veranstaltungen, eine in Memphis und eine in seiner Heimatstadt Tuscaloosa, Alabama. Er erinnert sich an diese Versammlungen als reines Theater des Bösen. Bis heute ist der KKK eines der zentralen Themen innerhalb seines künstlerischen Werks. Ein schwieriges Unterfangen, wie Christenberry immer wieder feststellen musste.

1936 geboren, aufgewachsen im Süden der USA und dort mit KKK-Sympathisanten innerhalb der eigenen Familie konfrontiert, entwickelte er sehr früh eine zwiespältige Beziehung zu seiner Heimat. Denn trotz seiner Verachtung der dortigen rassistischen Strukturen liebte Christenberry, der seit 1968 Zeichnung und Malerei an der Corcoran School of Art in Washington, D.C., lehrt, die Südstaaten und deren typische Architektur. Zunächst mit Hilfe der Malerei in der Tradition des Abstrakten Expressionismus, dann aber mehr und mehr mit Hilfe der Fotografie, angeregt unter anderem durch Walker Evans, machte Christenberry die sozialökonomische Entwicklung der Südstaaten zum zentralen Thema seiner Arbeit. Dazu kehrt er immer wieder in seine Heimat zurück. Auch beeinflusste ihn die Pop-Art der Fünfzigerjahre. Aus alten Werbeschildern, die er fand, nietete er große Materialcollagen zusammen. Collagen wie Panzer. Panzer des Konsums. Hier ein Fetzen Pepsi, da ein Stück Marlboro, Coca-Cola, Esso.

Christenberrys kritische Verarbeitung des KKK-Komplexes stieß dagegen nicht selten auf Ablehnung. So musste er 1963 als Dozent an der Memphis State University in Tennessee zwei Bilder abhängen, die er an der Fakultät ausstellte. Es waren Porträts von Klan-Mitgliedern, darüber stand in roter Farbe das Wort Hate. Christenberry arbeitete an dem Thema dennoch weiter, sammelte, skizzierte kapuzenartige Köpfe und begann Spielzeugpuppen als prototypische Klan-Mitglieder zu verkleiden. Dafür ließ er Miniaturroben aus Satin nach den Originalschnitten anfertigen und fügte alle Puppen und Fundstücke nach und nach zu einem Horrorszenario zusammen, dem Klan-Room. Diese Installation ist nun auch in der Kölner Ausstellung zu sehen. Sie wächst seit fast 30 Jahren und umfasst inzwischen an die 300 Objekte: abstrakte Skizzen, Flugblätter, etwa hundert Klan-Puppen, geknebelt, bewaffnet, marschierend, an der Wand ein Neonkreuz und eine Miniaturkirche, deren Dach unweigerlich die Form der Klan-Kapuze annimmt.

Mit Beginn der Bürgerrechtsbewegung erreichte der konkrete, rassistische Terror des Klans einen neuen Höhepunkt. Seine Macht entspringt nicht zuletzt auch seiner plumpen, martialischen Symbolik. Mit Letzterer spielt Christenberry seit Jahren, stellt sie auf den Kopf, verhöhnt und abstrahiert sie. Wie ein ewiger Fluch scheint sie den Künstler aber auch zunehmend durch sein übriges Werk zu verfolgen. Denn die andere Seite seiner Arbeit, die regelmäßige Dokumentation des Verfalls und Wiederaufbaus der traditionellen Wohnhäuser, Bars und Höfe der Südstaaten, hat sich mit den Jahren ebenfalls der rein ästhetischen Darstellung entzogen. So fotografierte der Künstler über einen längeren Zeitraum ein altes Bar-B-Q-Inn in Alabama. Dann wurde es abgerissen und er dokumentierte die leere Stelle: denn die Straße, an dem das Haus vormals stand, hatte einen neuen Namen bekommen, Martin-Luther-King-Drive. Ein weiteres, von Christenberry 30 Jahre fotografiertes, gemaltes und schließlich nachgebautes Objekt, das „Green Warehouse“, reduzierte sich mit seinem Mansardendach und in seiner jahrelangen, seriellen Darstellung unmerklich zur bedrohlichen Form der Klan-Kapuze.

Doch ist Christenberrys Darstellung des Bösen selbst eigentlich bedrohlich? Ist sein künstlerischer Kampf dagegen nicht eigentlich schon deshalb ein zu fiktiver Kampf, weil es in seinem Werk keine Opfer gibt? Diese Opfer des jahrelangen rassistischen Terrors nämlich, die in Christenberrys Werk scheinbar geschluckt werden von der glatten, nationalistisch-überladenden Klan-Symbolik, mit der der Künstler vor allem arbeitet? Der Klan-Room, ein großer böser Zauberkasten. Seine symbolträchtige Inszenierung birgt in sich die Gefahr, den KKK als Schreckgespenst, nicht aber als eine bis heute aktiv agierende Gruppe zu begreifen.

Doch woher rührt Christenberrys scheinbare Hilflosigkeit, die Opferseite in seiner Auseinandersetzung mit dem KKK zu benennen? Es mag vor allem an seiner Herkunft und Familiengeschichte liegen. Wie gefangen wirkt er zwischen Heimatliebe und Verachtung tradierter rassistischer Strukturen. Christenberry ist ein höchst kritischer Künstler, dennoch merkt man ihm seine Sozialisation an. Seine Wut ist weniger die eines Opfers. Sondern vielmehr die eines Menschen, der die Täter nur zu gut kennt.

Bis 25. August, Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, Köln