„Die Tragödie wird eine Komödie sein“

Was tun, wenn der Norden seine Propagandalautsprecher während der Dreharbeiten plötzlich abstellt? Der südkoreanische Regisseur Park Chan-Wook über seinen Erfolgsfilm „Joint Security Area“, in dessen Mittelpunkt eine tragische Freundschaft zwischen süd- und nordkoreanischen Grenzsoldaten steht

Interview SVEN HANSEN

taz: Herr Park, „Joint Security Area“ war Südkoreas erfolgreichster Film und verhalf Ihnen zum Durchbruch. Wie erklären Sie sich das?

Park Chan-Wook: Der große Erfolg ist ganz klar auf die Entspannung zwischen Nord- und Südkorea nach dem innerkoreanischen Gipfeltreffen im Juni 2000 zurückzuführen. Das hat im Süden ein großes Interesse an Nordkorea und dessen Führer Kim Jong-Il geweckt. Er wurde erstmals im neuen Licht gesehen und war so etwas wie ein Star. Das hat die Einstellung der Öffentlichkeit zu unserem Film und dann den Erfolg stark beeinflusst. Ich selbst habe gemischte Gefühle zur Entwicklung des innerkoreanischen Verhältnisses. Es hat zum Erfolg des Films beigetragen. Mir wurde aber auch vorgeworfen, ich sei opportunistisch, weil ich auf die Leinwand bringe, was gerade passiert. Aber das ist Zufall. Für die Wirkung des Films wäre die Konfrontation des Kalten Kriegs besser gewesen, weil dann die Aussage stärker gewesen wäre. Denn ich wollte die Zuschauer eigentlich mit neuen Aspekten im innerkoreanischen Verhältnis überraschen.

Wie hat sich der von Präsident Kim Dae-Jung eingeleitete Entspannungskurs gegenüber dem Norden, die so genannte Sonnenscheinpolitik, ausgewirkt?

Die Sonnenscheinpolitik hat den Film überhaupt erst ermöglicht. Vorher wäre es undenkbar gewesen, einen solchen Film zu produzieren oder auch nur zu zeigen. Die Sonnenscheinpolitik änderte die Einstellung der Südkoreaner zum Norden, was dem Film sehr geholfen hat. Trotzdem war lange Zeit unklar, wie sich das bilaterale Verhältnis entwickelt. So hat es vor noch nicht allzu langer Zeit ein tödliches Seegefecht gegeben. Auch während der Dreharbeiten hätte sich das Nord-Süd-Verhältnis schnell verschlechtern können. Und im Süden haben wir auch immer noch Gesetze, die alles verbieten können, was Nordkorea positiv darstellt. Die Gesetze werden nicht mehr so streng ausgelegt, denn sonst würde auch Präsident Kim mit seiner Politik dagegen verstoßen. Es gibt Bestrebungen, die Gesetze noch weiter zu lockern, wozu auch der Film beigetragen hat. So weht in einer Szene die Kappe einer Touristin über die Grenzmarkierung. Als der nordkoreanische Hauptdarsteller die Kappe zurückreicht, sagt ein US-Soldat, dass dem Nordkoreaner eigentlich die Hand hätte abgeschlagen werden müssen.

„Joint Security Area“ wurde weitgehend vor dem historischen Gipfeltreffen zwischen den beiden Kims im Juni 2000 gedreht, kam aber erst danach ins Kino. Hat Sie die politische Dynamik überrascht?

Die Entwicklungen haben mich sehr überrascht. Wir waren vor dem Gipfel nicht ganz fertig mit der Produktion, wollten noch Propaganda aus dem Norden an der Grenze aufnehmen. Doch plötzlich stellte der Norden nach dem Gipfel die Lautsprecher ab, und wir mussten sie dann für unseren Film nachmachen. In einer anderen Szene wollten wir nordkoreanische Marschschritte nachspielen. Doch als wir die beim Gipfel live im Fernsehen sahen, wurde uns klar, dass wir sie nie so echt hinbekommen würden, und haben dann darauf verzichtet.

Warum sind die nordkoreanischen Hauptfiguren sympathischer als die Südkoreaner?

Nordkoreaner werden im Süden generell als Monster und Dämonen gesehen und müssen deshalb einfach positiver dargestellt werden, um dieses Vorurteil aufzubrechen.

Im Film scheitert die Annäherung der Grenzsoldaten an der Macht unterschiedlicher Systeme. Ist das eine Warnung, dass auch die Annäherung der politischen Führer in die Katastrophe führen könnte?

Ich will keine Katastrophe beschwören, sondern nur vor blindem Optimismus warnen. Seit den 60er-Jahren haben wir schon viele Wendungen im bilateralen Verhältnis erlebt, so dass wir vorsichtig sein müssen. Der Film vergleicht jedoch nicht zwischen Nord- und Südkorea, sondern zwischen persönlichen Positionen und denen von Systemen. Letztere werden dafür kritisiert, dass sie Beziehungen zwischen Menschen zerstören können. Können Menschen nicht auch Systeme ändern, wie Südkoreas Präsident und Friedensnobelpreisträger Kim Dae-Jung gezeigt hat? Mir geht es mehr um persönliche Gefühle einschließlich Schuldgefühlen. Natürlich können Menschen auch Systeme ändern, wie sie aber auch oft daran zerbrechen.

Haben die realen Freundschaften zwischen nord- und südkoreanischen Soldaten, die es in der demilitarisierten Zone gab, Sie inspiriert?

Die Szenen der Treffen der Soldaten beruhen auf realen Begebenheiten, die um 1998 durch die Presse gingen, bevor die Treffen verboten wurden. Wir haben einige südliche Soldaten gesprochen, die Fotos von sich mit nordkoreanischen Soldaten hatten. Einige haben die Bilder inzwischen aus Angst verbrannt, andere haben sie noch. Doch vor allem fand ich das Grenzdorf Panmunjom selbst inspirierend. Es ist wie ein großes Theater, wo beide Seiten versuchen, die eigene Nationalflagge höher als die der Gegenseite zu hissen. Wie kindisch! Die Teilung Koreas ist eine Tragödie, aber wenn man später einmal nach einer Wiedervereinigung zurückschaut, wird einem diese Tragödie wie eine große Komödie vorkommen.

Ihr Film wurde 2001 bei der Berlinale im ehemaligen Berliner Mauerstreifen aufgeführt.

Das ist Schicksal. Und dass wir unsere Filmfete ausgerechnet im Tränenpalast hatten, quasi der deutschen Version der koreanischen „Brücke ohne Wiederkehr“, war echte Ironie.

Müssen wir mit einer Welle koreanischer Mauerfilme rechnen?

Das Verhältnis zwischen Nord und Süd ändert sich ständig. Ein neuer Wechsel könnte südkoreanische Regisseure wieder zu neuen Filmen über das bilaterale Verhältnis inspirieren, momentan ist mir aber kein solches Projekt bekannt. Ich kann auch nur davon abraten, weil die Journalisten dann so viele politische Fragen stellen.

„Joint Security Area“, Regie: Park Chan-Wook. Mit Lee Byung-Hun, Song Kang-Ho u.a., Südkorea 2000, 110 Min.