Afrikanische Union der Wahlbetrüger

Demokratische Standards gehören zu den Grundprinzipien der neu gegründeten AU. Aber eingehalten werden sie kaum. Vielmehr häufen sich bei afrikanischen Wahlen Unregelmäßigkeiten bis hin zur Wahlfälschung

Die demokratischen Mehrparteieninstitutionen Afrikas erweisen sich als Farce

BERLIN taz ■ Kameruns Regierung war begeistert. Die Meinungsäußerung der katholischen Kirche sei „lobenswert“, weil sie „zur Verbesserung des Verhältnisses der kamerunischen Bürger zu ihren Rechten und Pflichten“ beitrage, freute sich Informationsminister Jacques Dame Ndongo. Die Kirche hatte zuvor im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen vom 30. Juni schwere Vorwürfe erhoben. „Schwere und mehrfache Beeinträchtigung des Wahlrechts, Korruption durch Stimmenkauf, Schaffung fiktiver Wahlbüros, selektive Einschreibung auf den Wählerlisten und selektive Vergabe von Wahlkarten“, konstatierte die Bischofskonferenz.

So ist das im neuen Afrika, das mit der gestrigen Gründung der „Afrikanischen Union“ (AU) im südafrikanischen Durban Gestalt annimmt. Weil Regierungen jetzt laut AU-Charta der Wahrung demokratischer Prinzipien verpflichtet sind, wird Kritik an Wahlbetrug nicht mehr unterdrückt, sondern offiziell begrüßt. Kameruns seit der Unabhängigkeit regierende „Demokratische Sammlung des kamerunischen Volkes“ (RDPC) hat bei der Wahl nach ersten Ergebnissen über 150 der 180 Sitze gekriegt – bei einer Wahlbeteiligung, die nach Oppositionsangaben 20 Prozent nicht überschritt.

Kamerun ist kein Einzelfall. Im westafrikanischen Guinea fanden am gleichen Tag Parlamentswahlen statt, ebenfalls von großen Teilen der Opposition boykottiert. Nach einer Woche Stimmenauszählung kam das kaum überraschende Ergebnis: Die Regierungspartei hat alle 38 Wahlkreise gewonnen und über 61 Prozent der Stimmen erhalten, bei einer Beteiligung von angeblich 72,5 Prozent. „Eine Farce“, kommentierte Exparlamentspräsident Biro Diallo, einer der Boykotteure. Teilnehmende Parteien sagten, Wahlurnen seien vorab mit Stimmen für die Regierung gefüllt worden. Die ausländischen Geldgeber Guineas hatten sich vorher aus der Wahlfinanzierung zurückgezogen.

Auch in Kongo-Brazzaville gab es am 30. Juni Wahlen – auf kommunaler Ebene. Natürlich gewann die Regierung. Die Opposition boykottierte wegen Manipulationen im Vorfeld der Parlamentswahlen wenige Wochen zuvor, bei denen 83 von 137 Sitzen an die Regierung fielen. Schon aus dem zweiten Durchgang der Parlamentswahl hatten sich die Gegner von Präsident Denis Sassou-Nguesso zurückgezogen. Sassous Armee führt in einem Teil des Landes Krieg gegen oppositionelle Milizen.

Drei Wahlen, ein Trend: Die demokratischen Mehrparteieninstitutionen, die seit der Erstellung des gesamtafrikanischen Entwicklungsplans Nepad (Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) und der Gründung der AU für alle afrikanischen Länder Pflicht sind, erweisen sich als Farce. Während Präsidentschaftswahlen, zum Beispiel im vergangenen März in Simbabwe, immerhin meistens Aufmerksamkeit erregen, findet die Wahl der Parlamente und Kommunalverwaltungen unter kompletter Indifferenz statt. Dabei geht es hier immerhin um mehr als eine Person, nämlich die Bestimmung der demokratischen Kontrollinstanzen der Regierung, ohne die eine gute Regierungsführung nicht möglich ist.

Nicht dass eine inkorrekte Präsidentschaftswahl in Afrika dem Sieger unbedingt Probleme bringt. Simbabwe und der Wahlbetrug, der im März Robert Mugabe an der Macht hielt, seien beim AU-Gründungsgipfel „kein Thema“, hieß es aus Durban. Auch die Wahlen von Sambia im Dezember 2001 und Tschad im Mai 2001, bei denen der Sieg des Regierungskandidaten jeweils auch bei unabhängigen Beobachtern umstritten war, stören niemanden im Klub der alten Staatschefs. Marc Ravalomanana hingegen, der in Madagaskar im Dezember 2001 die Präsidentschaftswahlen gewann, bleibt vom Gipfel wegen „bewaffneter Machtergreifung“ ausgeschlossen. Er verschaffte sich mit Hilfe der Armee sein Recht, weil sein Vorgänger Didier Ratsiraka seine Wahlniederlage nicht anerkannte. Das gilt nach dem Buchstaben der AU-Kriterien als Putsch, was automatischen Ausschluss von den Gipfeln nach sich zieht.

DOMINIC JOHNSON