Sag zum Abschied leise „servus“

„jetzt“ trifft es auch die „Süddeutsche“: Das Jugendsupplement wird eingestellt. Wie anderswo fallen verlagsweit mehr als zehn Prozent der Stellen weg. Betriebsbedingte Kündigungen und deutliche Umfangkürzungen angekündigt. Zukunft der Berliner Seite ungewiss. Betriebsrat: „Management-Fehler“

von ARNO FRANK
undSTEFFEN GRIMBERG

„Das Zeitungsgefüge der Süddeutschen wirkt insgesamt wie ein bunter Biergarten“, schrieb am Dienstag ein gut gelaunter Welt-Chefredakteur im eigenen Blatt als ironische Hommage an seinen Lieblingskonkurrenten. Wolfram Weimer dürfte schon gewusst haben, wie’s gemeint war: Denn im Biergarten ist derzeit Ausschankschluss.

Schon geschlachtet ist das montägliche Jugendmagazin jetzt, auch die Berliner Seiten der SZ stehen auf der Kippe, heißt es in München. „Es ist legitim, über Kürzungen aller Art nachzudenken“, sagen wie immer in solchen Fällen die Unternehmenssprecher und nennen es „Konzentration auf das Kerngeschäft“.

Dass man sich dem allgemeinen Sparzwang anschließt, war erwartet worden. „Gegrummelt hat es schon die ganze Zeit“, sagt Konzernbetriebrats-Chef Klaus Schönauer. Nun sollen auch beim Süddeutschen Verlag mit seinen 5.000 Mitarbeitern die magischen „mehr als zehn Prozent“ Personal abgebaut werden. Um dies „realisieren zu können, sind auch betriebsbedingte Kündigungen nicht länger zu vermeiden“, heißt es in einer Verlagsmitteilung.

Das Ziel: Schwarze Zahlen für die Gesellschafter, die endlich wieder Schlagzeilen wie „Süddeutscher Verlag sieht Rekordgewinn“ lesen wollen. Das war 1998, noch 2000 verbuchte der Konzern bei rund 870 Millionen Mark Umsatz zweistellige Renditen. Doch im Geschäftsjahr 2001 kam der Einbruch: Bei der heutigen Kostenstruktur, heißt es in München, schreibe auch das Flaggschiff SZ aktuell „sicherlich rote Zahlen“.

Nun also Kündigungen. Dies zumindest hatte Geschäftsführer Dirk Refäuter bei der Ankündigung erster kostensenkender Maßnahmen am Jahresanfang noch vermeiden wollen. Doch je ungenierter die überregionale Konkurrenz von Frankfurter Rundschau, FAZ und Welt spart, „umso stärker sinkt das Schamgefühl“, sagt Betriebsrat Schönauer. Die Anzeigeneinbrüche könne man nicht wegdiskutieren, doch seien da eben auch die Managment-Fehler des eigenen Hauses.

Vor allem im Bereich Fachinformation: Der Süddeutsche Verlag ist hier über seine Zwischenholding SV Hüthig Fachinformation (SVHFI) die Nummer drei in Deutschland. Zum Portfolio gehören Agentur-Fachtitel wie der Kontakter, Werben und Verkaufen oder die Computer-Magazine MACup, PC Magazin und PC Go. „Narrenfreiheit“ habe das zuständige Management gehabt, regt man sich in München auf. Jetzt stehe das Ganze zum Verkauf, schreibt der Branchendienst Kress Report, am Montag musste SVHFI-Geschäftsführer Bernhard von Minckwitz wegen „unterschiedlicher Auffassungen zur Geschäftspolitik“ gehen.

Der Süddeutschen drohenneben dem Verlust der Berlin-Seite „deutliche Umfangkürzungen im Gesamtblatt“. Konsequenz: „Die Solidarität unter den Ressorts bricht weg“, berichtet ein Mitarbeiter, und angesichts der vielen fetten Jahre fragten sich nun alle, „wo denn das ganze Geld geblieben“ sei. Von „Herausnehmern“ statt „Herausgebern“ witzeln zumindest noch die, deren Posten sicher sind.

Ungeschoren soll wenigstens die neue NRW-Ausgabe davonkommen: „Wir sind als Projekt von strategischer Bedeutung ausgenommen“, sagt Redaktionsleiter Hans-Jörg Heims. Die Auflage in NRW liege aktuell bei rund 40.000 Exemplaren – fast 9.000 mehr als beim Start im Januar. Weder personell noch finanziell müsse zurückgesteckt werden, eine neue Marketing-Kampagne soll im August weitere LeserInnen bringen, so Heims.

Weitere Streichungen werden dagegen im Regionalzeitungsgeschäft befürchtet: Hier hatte der Süddeutsche Verlag schon 2001 Stellen bei seinen Blättern in Südthüringen, dem Vogtland und Oberfranken gestrichen.

Dem prominenteren Opfer jetzt sollte es vor Monatsfrist schon einmal an den Kragen gehen. Damals gab’s noch Aufschub, am Dienstag war endgültig Schluss: „Mit sofortiger Wirkung“ wie in der SZ zu lesen stand, zum 15. Juli also.

Dass wegen der „unglaublichen Zeiten“ gekürzt werden müsse, scheint dabei allen Beteiligten klar gewesen zu sein. Für Irritationen sorgt aber, dass mit jetzt auf ein maßgeschneidertes und mehrfach preisgekröntes Marketinginstrument verzichtet wird: Das Supplement hat nicht nur die Lebensrealität junger und jung gebliebener Leser gespiegelt, es wirkte auch idealerweise als niederschwellige Einstiegsdroge für das komplizierte und vielschichtigere Hauptblatt. Aus jetzt-Lesern sollten SZ-Leser werden, so das Kalkül. Neun Jahre lang hat man durchgehalten, die Marke war etabliert – und wird jetzt nur noch im Internet weiter bewirtschaftet – Umfang und Aussichten unklar. Wieso nicht lieber das teurere und mindestens ebenso defizitäre SZ-Magazin eingestellt wird, fragt sich nun mancher in München. Zumal das neu konzipierte SZ-Wochenende dem Magazin verdächtig nah kommt.

Die Antwort: Weil der Verlag bei einer Abschaffung des SZ-Magazins befürchtet, zu viele Leser zu verlieren. jetzt dagegen werde vorwiegend vom Nachwuchs derer „mitgelesen“, die die SZ ohnehin schon abonniert haben. Gerade dies ist besonders bitter: Als Kaufanreiz mit eigenen Qualitäten wird jetzt also selbst nach neun Jahren nicht ernst genommen.

Dass die letzte Ausgabe nun doch erst am 22. Juli erscheint, liegt an der Redaktion. Man würde sich doch gerne noch bei den Lesern verabschieden, hieß es – wenigstens dem wurde von Verlagsseite generös stattgegeben.