Stoßgebete für einen Auserkorenen

Mit einer Verordnung gegen die Verherrlichung faschistischer Persönlichkeiten will sich Rumäniens Regierung dem Westen andienen. Doch in vielen Orten sind Straßen noch immer nach dem Militärdiktator und Hitler-Verbündeten Antonescu benannt

Mit der Verordnung will die Bukarester Regierung den Nato-Beitritt erwirken

von WILLIAM TOTOK

Besuchern der Bukarester Kirche der Heiligen Konstantin und Helena bietet sich ein seltsamer Anblick. Im Hof des Gotteshauses steht eine Statue, die mit einem Tuch verhängt ist. Doch Eingeweite wissen, wer sich darunter verbirgt: Ion Antonescu. Die Verhüllung ist kein Zufall. Denn die rumänische Regierung ist offenbar entschlossen, sich von dem Erbe des früheren militärfaschistischen Staatsführers und Hitler-Verbündeten zu distanzieren.

So sieht es jedenfalls eine kürzlich verabschiedete Dringlichkeitsverordnung vor. Danach wird die Gründung faschistischer, rassistischer oder fremdenfeindlicher Organisationen künftig unter Strafe gestellt. Auch die Mitgliedschaft in faschistischen Organisationen sowie die Verbreitung, der Besitz oder die Verwendung faschistischer, rassistischer oder fremdenfeindlicher Symbole sollen mit Haftstrafen geahndet werden. Wer den Holocaust leugnet oder dessen Auswirkungen öffentlich anzweifelt, riskiert sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Verboten sind auch Straßenbenennungen nach Kriegsverbrechern oder Faschisten, die Errichtung von Statuen oder das Anbringen von Gedenktafeln für Personen, die sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder den Frieden schuldig gemacht haben.

Es ist die radikalste Verordnung einer postkommunistischen Regierung. Bukarest will damit den Nato-Beitritt erwirken und alle Zweifel an der demokratischen Lauterkeit der politischen Klasse ausräumen. Doch die Praxis sieht anders aus. In besagter, von Antonescu gestifteter Kirche befindet sich eine im Stil byzantinischer Ikonen entworfene Wandmalerei, auf der ein uniformierter Diktator nebst Gattin nach wie vor ungestört auf die Gläubigen herabblickt. Anlässlich des 120. Geburtstages und 56. Todestages des als Kriegsverbrecher hingerichteten Diktators versammelten sich am 1. Juni hier zahlreiche Verehrer Antonescus, die seine „Leistungen“ würdigten. Besonders lautstark gebärdeten sich Mitglieder der Jugendorganisation der neofaschistischen Partei Großrumänien, die das Tuch von der Büste entfernten und von einem zweiten Mord an Antonescu sprachen.

Kurz danach hielt der Vizepräsident des rumänischen Oberhauses, der großrumänische Senator Gheorghe Buzatu, eine Ansprache im Parlament, in der er an die Verdienste Antonescus erinnerte, und ihn als einen „würdigen“, „entschlossenen“ und „von der Vorsehung“ auserkorenen Politiker bezeichnete. Schätzungen von Historikern zufolge soll Antonescu für den Tod von mindestens 200.000 Juden aus Ostrumänien verantwortlich sein, die auf seinen Befehl hin in eigenen KZ-ähnlichen Einrichtungen ums Leben gekommen sind. Derweil versuchen rumänische Historiker vom Schlage Buzatas die Schuld Antonescus am Holocaust mit dem Hinweis zu relativieren, er habe die im rumänischen Kernland ansässigen Juden nicht an Hitler ausgeliefert. Um die Frage der Schuld Antonescus am jüdischen Genozid dreht sich nun auch ein Streit um die Definition des Holocaust, die demnächst auch in ein auf der Regierungsverordnung basierendes Gesetz einfließen soll. In der Absicht, Antonescu als den Hauptverantwortlichen für die Vernichtung rumänischer Juden reinzuwaschen, soll der Holocaust als eine von den deutschen Nazis während des Zweiten Weltkriegs in den KZs systematisch durchgeführte Vernichtungsaktion an den europäischen Juden definiert werden. Buzatu erklärte wiederholt, in Rumänien habe es keinen Holocaust gegeben.

Hartnäckiger Widerstand gegen den Erlass, in dem nationalistische Politiker und Historiker, eine „Beleidigung des rumänischen Volkes“ und „einen Angriff auf das Christentum“ sehen, kommt auch aus den Kommunen. In Oradea stimmte der Stadtrat mehrheitlich gegen die Umbenennung einer Antonescu-Straße. In Temesvar und in anderen Orten sind die Straßenschilder mit dem Namen Antonescus noch immer nicht entfernt worden. Unterdessen wurden im Bukarester Regierungsgebäude als Zeichen der Würdigung für ihre Verdienste die Gemälde sämtlicher rumänischer Premierminister des 20. Jahrhunderts angebracht, inklusive Antonescu.

In einem von Hillary Clinton und anderen amerikanischen Politikern unterzeichneten Brief der US-Helsinki-Kommission wurde nun die rumänische Regierung nachdrücklich aufgefordert, das umstrittene Bild aus dem Regierungsgebäude zu entfernen und die Namen der nach Antonescu benannten Straßen zu ändern. In dem in der rumänischen Presse veröffentlichten Schreiben wird der rumänische Premier an sein Versprechen erinnert, „jegliche Zweideutigkeiten bezüglich der Haltung Rumäniens gegenüber des Faschismus und Extremismus“ auszuräumen. Der rumänische Kulturminister konterte promt: Das Antonescu-Porträt befinde sich in einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Raum und müsse somit nicht entfernt werden.