Winzig, aber dafür umso heißer begehrt

Die Petersilieninsel vor Marokkos Küste hat schon oft den Besitzer gewechselt. Sogar die USA waren mal interessiert

Bis zu seiner Besetzung durch marokkanische Truppen am Donnerstag vergangener Woche wusste kaum jemand in Spanien, dass es das Inselchen Perejil überhaupt gab. Das 13,5 Hektar große Eiland nur eine halbe Meile vor Marokkos Küste war seit Mitte der Sechzigerjahre in Vergessenheit geraten. Damals verließen die letzten fünf spanischen Soldaten den mit Petersilie (Perejil) bewachsenen Felsrücken in der Meerenge von Gibraltar. Weder Spanien noch Marokko kümmerten sich seither um Perejil.

Jetzt ist plötzlich alles anders. Der 74 Meter aus dem Wasser ragende Fels ist wieder, was er jahrhundertelang war: ein umstrittener, strategisch wichtiger Ort an der Einfahrt zum Mittelmeer.

Perejil gehörte ab 1415 zu Portugal. 1668 geht das Eiland zusammen mit der nur zehn Kilometer entfernt liegenden Garnisonsstadt Ceuta und der zweiten Enklave an der nordafrikanischen Küste Melilla sowie einer Hand voll weiteren Inselchen an die spanische Krone. Während des Unabhängigkeitskrieges gegen Frankreich besetzt Spanien im Jahre 1808 Perejil erstmals militärisch. Von dort aus lässt sich die Einfahrt französischer Kriegsschiffe ins Mittelmeer kontrollieren und notfalls auch verhindern.

Großbritannien kommt den Spaniern zu Hilfe. Nicht ganz uneigennützig: Nach Ende des Krieges bedarf es großer diplomatischer Anstrengungen, um die Briten 1813 zum Abzug aus Perejil zu bewegen. Nur zu gerne wären sie geblieben und hätten damit nicht nur von der Nordseite der Meerenge, von der Kronkolonie in Gibraltar, ihre Kontrolle über den Schiffsverkehr ausgeübt, sondern auch vom Süden her.

Nur wenige Jahre später, 1836, interessieren sich selbst die USA für den Felsen. Sie hätten dort gerne ein Kohlelager für ihre Dampfschiffe eingerichtet. Die Verhandlungen mit Madrid scheitern am Veto Großbritanniens. Die Insel bleibt weiterhin unbewohnt, bis die spanische Regierung 1848 während eines Aufstandes im Norden Marokkos abermals Truppen nach Perejil entsendet.

Die Souveränität des Felsens war immer umstritten. Das ganze 19. Jahrhundert über beanspruchten sowohl der Sultan von Marokko als auch das spanische und britische Königshaus das Eiland für sich. Erst 1912, als Nordmarokko zum spanischen Protektorat wird, fällt Perejil unumstößlich an Madrid. Nach der Entkolonialisierung Marokkos behält Spanien all das, was einst von Portugal übernommen wurde: Ceuta, Melilla und auch die kleinen Eilanden vor der marokkanischen Küste – darunter Perejil.

Als die Regionalregierung von Ceuta in den 90er-Jahren das Autonomiestatut für die Garnisonsstadt ausarbeitet, taucht Perejil zunächst in einem ersten Entwurf als Teil Ceutas auf. In der endgültigen Version wird die Insel jedoch nicht mehr erwähnt. Eine Tatsache, die Marokko ermutigte, die Souveränität über das Eiland zu fordern. Nach Auffassung der Regierung in Rabat ist Leila, so nennen die Marokkaner Perejil, 1956 mit Ende der Entkolonialisierung an Marokko gefallen.

Statt von Souveränität spricht die Regierung Madrid von einem „Status quo“, den es wiederherzustellen gelte. „Dieser Status besteht darin, dass weder Spanien noch Marokko dort permanent Truppen unterhalten“, erklärt Regierungssprecher Mariona Rajoy. REINER WANDLER