„Der Trend ist schlecht“

Pleiten, Pech & Pannen: Für die Bremer Wirtschaft dürfte 2002 kein guter Jahrgang werden. Das allgemeine Klima ist düster – alles, was am Marketing hängt, hat derzeit Probleme

Jung-Pleitiers, die „Großen“ wie Netcenter und der Dotcom-Tod

Nein, konkrete Zahlen zu den Insolvenzen des ersten Halbjahres 2002 in Bremen gibt es erst im August. „Aber wenn ich das so richtig sehe, ist die Lage bei uns noch schlimmer als in Niedersachsen“, sagt die Mitarbeiterin des Bremer Statistischen Landesamtes. In Umzu hatte die Hiobsbotschaft vom Anstieg der Pleiten um 30 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2001 gestern Furore gemacht. Wirtschaftsministerin Susanne Knorre (parteilos) ruderte zurück: Ja, es gebe hie und da Probleme. Aber: Die Zahlen, die die Auskunftsfirma Creditreform veröffentlicht hatte, seien nur „verfrühte Spekulationen“ – offizielle Daten zum Betrauern gibt es auch in Niedersachsen erst im August.

Dabei braucht niemand mehr in Hannover – wie in Bremen – zu spekulieren. Längst ist auch den Wirtschaftsauguren an der Weser klar: 2002 wird kein guter Jahrgang, offensichtlich viel schlimmer als das laue 2001.

Schon im ersten Quartal des Jahres soll die Zahl der Insolvenzen um 50 Prozent gestiegen sein. Das jedenfalls behauptete der Publizist Günter Ogger im Frühjahr vor Unternehmern im Parkhotel. Noch 2001 hatte es in Bremen „nur“ 184 Firmeninsolvenzen gegeben. Mit einem Anstieg um vier Prozent im Vergleich zum „Boomjahr“ 2000 erschien der Stadtstaat damals im Vergleich zum Bund noch stabil. In Gesamtdeutschland war die Zahl der Insolvenzen um gut 14 Prozent gestiegen. Derzeit scheint aber auch Bremen abzustürzen.

„Der Trend ist schlecht“, sagt Harm Wurthmann vom Bremer Rationalisierungskomittee der Deutschen Wirtschaft (RKW). Das RKW, das sich um Existenzgründer kümmert, betreute im vergangenen Jahr 500 Jung-Unternehmer in Bremen.

Anfragen gebe es immer noch ungefähr genauso viel wie 2001 – aber mehr Mini-Firmen gehen in die Brüche. Und es sind nicht nur die Jung-Pleitiers. Beim Thema Insolvenzen fallen Wurthmann zunächst „Große“ wie der Telefondienstleister „Netcenter“ ein – Anfang des Jahres gab es hier noch 120 Jobs. Auch der Dotcom-Tod schlägt an der Weser zu: Bei Engram, einer der größten Internetfirmen der Stadt, soll es gewaltig kriseln. Kein Einzelfall. „Alles, was am Marketing dran hängt, hat derzeit Probleme“, meint Wurthmann. „Event-Agenturen oder Medienbetriebe haben einen Durchhänger.“ Zum Teil seien sie aber auch „unterbewertet“. Immerhin verspüren die RKWler „seit Ende Mai wieder Aktivitäten“. Noch wachse das kleine Pflänzchen Aufschwung aber sehr langsam. Wurthmann: „Das geht alles sehr vorsichtig.“

Lahmende Weltkonjunktur, Nachwehen des 11. September, die bevorstehende Wahl, verschleppte Reformen, die Diskussion um den Arbeitsmarkt und und und – es gibt derzeit viele Gründe, warum es nicht fluppen will. Aber viele Probleme sind auch hausgemacht: Da gibt es die Kleinen, die zu einseitig auf einen großen Kunden setzen – und auf die Nase fallen, wenn der Aufträge storniert. Und die Unsoliden. Worthmann: „Die Unternehmen sollten von vorneherein mehrere Szenarien planen und Reserven bilden – es wird nicht immer alles nur größer und besser.“

Kai Schöneberg