Einstein versucht sich auf 64 Feldern

Das Geld des Medienunternehmens soll mithelfen, dass es künftig wieder nur einen Schach-Weltmeister gibt

BERLIN taz ■ Peter Leko und Weselin Topalow haben ihren bisher größten Erfolg im Kampf um die Schach-Weltmeisterschaft erzielt. In vier Partien bis zum Sonntag ermitteln die beiden Großmeister bei den Dortmunder Schachtagen den Herausforderer von Wladimir Kramnik, einem der beiden Weltmeister. Mit dem 22-jährigen Leko und seinem fünf Jahre älteren Kontrahenten aus Bulgarien erreichten die zwei beeindruckendsten Teilnehmer des Achterfeldes das Endspiel. Nach missglücktem Start mit drei Remis und einer Niederlage lief Leko zu Glanzform auf. Durch einen Sieg über Jewgeni Barejew platzte der Knoten bei dem Wahl-Dortmunder. Anschließend überrollte er im letzten Vorrundenspiel den englischen Weltranglistenvierten Michael Adams und kanzelte im Halbfinale Alexej Schirow (Spanien) mit 2,5:0,5 ab.

Topalow schien von der ersten Begegnung an blendend aufgelegt. Mit 4:2 Punkten marschierte er problemlos durch Gruppe 1 und ging auch gegen Barejew mit 1:0 in Führung. Doch der Russe drehte mit zwei Erfolgen den Spieß um – was aber den Weltranglistensechsten nicht sehr beeindruckte. Eiskalt glich Topalow aus und machte im Schnellschach-Tiebreak kurzen Prozess. Während sich Barejew und Schirow mit 40.000 Euro Preisgeld bescheiden müssen, haben die Finalisten bereits den doppelten Betrag sicher – 100.000 Euro erhält der Sieger.

Ob’s mehr wird, steht in den Sternen. Der vor einem Vierteljahr in Prag geschmiedete WM-Vereinigungsplan sah vor, dass der Gewinner von Dortmund gegen Kramnik antritt. Gleichzeitig wurde Garri Kasparow, der sich vor neun Jahren mit dem Weltverband Fide überworfen und seinen WM-Titel bis zur Niederlage 2000 gegen Kramnik selbst vermarktet hatte, befriedet. Der Weltranglistenerste aus Russland will sich am vermeintlichen Bauernopfer, dem frisch gebackenen 18-jährigen Fide-Weltmeister Ruslan Ponomarjow, gütlich tun. Die Sieger beider Duelle sollten dann den wieder einzigen Schach-Champion ausspielen.

Auf dem Weg, die Verhältnisse wie im Boxen mit mehreren Weltmeistern zu beseitigen, türmen sich jedoch Hindernisse auf. Während sich Kasparow weigerte, durch die Qualifikationsmühle von Dortmund zu gehen, hatten Exweltmeister Viswanathan Anand und Vizeweltmeister Wassili Iwantschuk aus Treue zur Fide schon zu Jahresbeginn dem Konkurrenz-WM-Zyklus eine Absage erteilt. Das dankte ihnen Fide-Präsident Kirsan Iljumschinow schlecht. Der Inder und der Ukrainer befanden sich plötzlich zwischen allen Stühlen, auch als sich Widerstand gegen ihre Ausbootung formierte – sogar die Teilnehmer von Dortmund unterzeichneten den offenen Brief –, blieb der selbstherrliche kalmückische Millionär ungerührt. Nach seinem Gusto sollen nun Ponomarjow, Kasparow und Kramnik möglichst rasch den Weltmeister ermitteln, um Anand & Co. alsbald wieder eine WM-Chance einzuräumen.

Topalow und Leko müssen aber auch aus einem zweiten Grund um das Finale der so genannten „Einstein-WM“ im nächsten Frühjahr bangen. Die Einstein Group, die die Titelrechte erworben hatte, ist finanziell klamm. Die syrische Milliardärswitwe Nahed Ojjeh – ihr Ehemann Akram Ojjeh verdiente einen Teil seines Vermögens mit Waffenhandel – rettete mit einer Spende von 300.000 Euro den Preisfonds bei den Schachtagen. Ohne eine weitere milde Gabe der 41-Jährigen aus Frankreich, die in Paris einen mit ihren Initialen versehenen eigenen Schachklub namens NAO unterhält, kommt es kaum mehr zum Einstein-Finale.

Als die Aktien der Einstein Group auf 0,5 Pence sackten, war der Handel Anfang Juli in London sogar ausgesetzt worden. Das Unternehmen hatte mit dreimonatiger Verspätung einen Jahresverlust von rund 4,5 Millionen Pfund bekannt gegeben. Just als Toby Murcott, Chef der Einstein TV-Sparte, zur Eröffnungszeremonie in Dortmund weilte, setzte der Handel mit den Aktien wieder ein. Auch wenn das Wertpapier sogleich auf 1,3 Pence „kletterte“, klang die Ankündigung von Dr. Murcott mehr nach Ruin als nach Aufbruchstimmung: „Wohin Einstein auch geht, Schach geht mit“, kündigte er an. HARTMUT METZ