Der Maurer im Urschleim

Der pensionierter Schornsteinfeger Bernd Müller hat genug von der Stadtschlossdebatte. Heute zieht er los und setzt den Grundstein. Der Senat nimmt’s mit Humor. Nur Müllers Frau ist dagegen

von SUSANNE VANGEROW

Bewaffnet mit Steinen und Mörtel will Bernd Müller, pensionierter Schornsteinfeger, das Stadtschloss wieder aufbauen. Denn weil das ja sonst niemand will, fängt der 70-Jährige heute um 11 Uhr einfach mal an. Zum 559. Jahrestag der Grundsteinlegung für die kurfürstliche Residenz will er auf den alten Fundamenten eine Steintafel errichten. Mit der Inschrift: „Peter Conradi, Peter Strieder, Petra Pau zum Trotz – jetzt wird rangeklotzt.“

Anfang Juli beschloss der Bundestag zwar den Neubau der alten barocken Fassade von 1716. Das Wann und Wie ist jedoch immer noch nicht klar. „Seit zwölf Jahren heißt es, Schloss nein – Schloss ja“, Müller hat die Schnauze voll von der endlosen Debatte. „Das Volk will das Schloss“, glaubt er. Schließlich seien 330.000 Unterschriften für den Wiederaufbau gesammelt worden. Jetzt sollten sich die Volksvertreter auch an den Willen des Volkes halten. In Bausenator Peter Strieder (SPD) hat Müller jedoch kein Vertrauen. „Der hat von Berlin doch keine Ahnung“, urteilt der Urberliner.

Bernd Müller selbst wurde 1932 im Nikolaiviertel geboren. Als „kleiner Steppke“ lief er immer am Schloss vorbei zur Schule. Und im Lustgarten spielte er Verstecken. Glück hat er gehabt wegen seiner Geburt im „Urschleim“ von Berlin, findet Müller. Darum hat er auch angefangen, alles über die Berliner Geschichte zu sammeln. Müller ist Hobbyhistoriker. „Dom, Neue Wache“, er zählt die alten Gebäude um den Schlossplatz auf. Klar, dass dort wieder ein Schloss hingehört, mit Barockfassade aus Kalksandstein, eben so wie früher. 500 Jahre wurde an dem Prachtbau mit den 1.200 Zimmern gearbeitet.

1950 ließ Walter Ulbricht die Schlossruine sprengen. „Obwohl es Volkseigentum war“, empört sich Müller. Aber damals hatte der jugendliche Bernd andere Sorgen. Nach dem Krieg war er mit seiner Mutter und den zwei Brüdern in die Sommerlaube in Weißensee gezogen. „Ausgebombt“, berichtet Müller. Zehn Jahre lang erlebte er die Berliner Winter im Verandazimmer bei minus 20 Grad draußen und drinnen minus 15 Grad Grad. Holz suchen stand auf dem Programm. In dieser Zeit begann auch seine Lehre als Schornsteinfeger. „Eigentlich ist es nur zufällig dieser Beruf geworden“, sagt Müller. Ausbildungsplätze waren knapp. Er nahm, was er bekam. Aber seine Arbeit hat ihm immer Spaß gemacht. Der Beruf war für ihn Berufung.

Trotzdem hat er noch zahlreiche Hobbys nebenher. Der Freizeithistoriker spielt auch Leierkasten und sammelt Öfen. In Mahlsdorf, wo er jetzt wohnt, hat er sogar ein Museum eröffnet mit über 500 Feuerstätten. Außerdem gibt er Stadtführungen. Eine Broschüre dafür hat er auch entworfen. Gerade sitzt er an seiner zweiten. „Die Kinder vom Nikolaiviertel“ soll die heißen. Er zeigt Kinderfotos. Auf einem steht er mit seinem großem Bruder – natürlich vor der Schlossfassade.

„Frau Müller“, sagt Herr Müller, sei nicht immer glücklich über seine Aktivitäten. Manchmal kann er das schon verstehen. „Einmal stand das ganze Haus voller Feuerstätten“, erzählt er, „da hat sie sich überall gestoßen, als sie putzen wollte.“ Monika Müller putzt derweil um ihn herum und schweigt. Auch die Maueraktion geht ihr gegen den Strich. Sagt zumindest Bernd Müller.

Im Senat sieht man die hingegen gelassen. „Er kann ruhig mauern“, sagt Strieders Sprecherin Petra Roland. Allerdings denke der Schornsteinfeger zu weit nach vorne. Die Finanzierung des Baus ist nämlich noch längst nicht gesichert. „Und solange die nicht festeht, ist alles andere Zukunftsmusik“, sagt Roland.

„Die Kosten spielen keine Rolle“, meint Müller. Für Panzer werde doch auch Geld ausgegeben. Außerdem wolle sich Wilhelm von Boddien doch ums Finanzielle kümmern. Der ist Vorstand des Fördervereins Stadtschloss. Müller will nach der Aktion am Schlossplatz eine Fete schmeißen. Und dann die Mauer wieder abbauen. Denn Ärger scheut der Schornsteinfeger.