off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Eigentlich ist das Filmmusical ja seit mehr als vier Dekaden mausetot. Doch in den letzten Jahren mehrten sich die Versuche, das Genre neu zu beleben: Woody Allen versuchte sich mit „Everyone Says: I Love You“ an einer parodistischen Hommage, Kenneth Branagh verfilmte Shakespeare als Swing-Musical („Verlorene Liebesmüh‘“), und Baz Luhrman machte aus „Moulin Rouge“ einen Pop-Kracher. Auch die australische Regisseurin Rachel Perkins wagt sich mit der knapp einstündigen Fernsehproduktion „One Night the Moon“ an ein kleines Musikdrama. Getragen von einer melancholischen Folkmusik, erzählt der Film eine auf dem fünften Kontinent überaus bekannte, auf historischen Tatsachen beruhende Geschichte: Eine kleine Farmertochter verläuft sich in der Wildnis, doch ihr Vater verweigert dem besten Spurensucher der Polizei, einem Aborigine, aus rassistischen Gründen die Mitwirkung an der Suche. Als die Mutter den Schwarzen schließlich doch noch hinzubittet, ist es zu spät: Er findet nur noch die Leiche des Kindes. In ihrer Zusammenarbeit mit der Komponistin Mairead Hannan und den Musikern Kev Carmody und Paul Kelly (der den Vater verkörpert) hat Perkins die Dialoge auf ein Minimum reduziert – allein die Songs charakterisieren die Figuren, verdeutlichen überzeugend ihre unterschiedlichen Einstellungen zum Leben: „This land is mine“, singt da der Vater voller Stolz, während der Aborigine im gleichen Lied kontrapunktisch dagegensetzt: „This land is me.“ Dass sich die Story schließlich auf die wachsende Entfremdung zwischen den Eheleuten konzentriert, führt „One Night the Moon“ am Ende noch in ein erheblich gefühlsbetonteres Fahrwasser. Doch auch das sollte in einer Genreproduktion erlaubt sein.

„One Night the Moon“ (OmU) 4. 8., 7. 8. im Arsenal 1

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„There are eight million stories in the naked city. This has been one of them“, verkündet eine Erzählerstimme am Ende von Jules Dassins „The Naked City“. Das Alltägliche – hier die realistisch gestalteten Recherchen zweier Polizisten (Barry Fitzgerald und Don Taylor) – war Mitte der 40er-Jahre in Hollywood eine neue Entdeckung. Hatten zuvor die artifiziellen Schatten der Studiowelten die Ästhetik des Film noir geprägt, so zogen mit den Dreharbeiten an Originalschauplätzen ein nicht gekanntes Maß an Authentizität in den Kriminalfilm ein. Auf der Suche nach einem Frauenmörder rennen sich die beiden Kriminalisten in den brodelnden Straßen von New York die Hacken ab und erleben unentwegt Rückschläge und Enttäuschungen – bis sie den Killer in einem furiosen Finale auf einer Brücke doch noch stellen können.

„The Naked City“ (OF) 3. 8. im Arsenal 2

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Im August erfreut das Filmkunsthaus Babylon sein Publikum mit einer Hitchcock-Filmreihe, in der auch einige sonst nicht allzu häufig gezeigte Werke laufen. Wie etwa „Young and Innocent“, ein ebenso amüsanter wie spannender Krimi um einen – wieder mal – unschuldig Verfolgten, der sich gemeinsam mit der Tochter eines Polizeichefs daran machen muss, den wahren Mörder zu finden. Den entlarvt Hitchcock in einer spektakulären Kranfahrt, die an der Decke eines Ballsaals beginnend mit einer Großaufnahme des Gesichts vom Schlagzeuger der dort aufspielenden Kapelle endet. Just in diesem Moment zwinkert der Musiker mit den Augen – ein Zeuge hatte den Mörder als Mensch mit einem nervösen Tic beschrieben. Doch weil die Identität des Täters zunächst nur dem Zuschauer enthüllt wird, ergibt sich ein schöner Suspense: Wird Erica (Nova Pilbeam), die Polizeicheftochter, den Mörder im Gewimmel des Ballsaals ausmachen können, ehe sie selbst von den Kollegen ihres Vaters entdeckt und an weiteren Recherchen gehindert wird? Und wie reagiert der Täter, der sich entdeckt und eingekreist glaubt? Auch hier findet Hitchcock eine schöne Auflösung: Der Drummer gerät buchstäblich aus dem Takt.

„Young and Innocent“ (OF) 7. 8. im Filmkunsthaus Babylon

LARS PENNING