Irak wird Wahlkampfthema

Regierung lehnt Teilnahme an möglichem Militärschlag gegen Saddam Hussein ab. Union spricht von außenpolitischem Schaden, während die FDP nur ein wahltaktisches Manöver erkennen kann

BERLIN rtr/dpa/taz ■ Zwischen der Bundesregierung und der Union ist ein heftiger Streit über die deutsche Haltung zu einem möglichen Angriff der USA auf den Irak entbrannt.

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warnten am Wochenende vor einer Militäraktion gegen das Land und lehnten eine deutsche Beteiligung ab. Er könne vor entsprechenden Überlegungen nur warnen, sagte Schröder auf einer SPD-Wahlkampfkundgebung in Hannover. Fischer sagte, er halte es für falsch, mit militärischer Gewalt einen Regierungswechsel in Bagdad erzwingen zu wollen.

CDU-Präsidiumsmitglied Wolfgang Schäuble warf Schröder daraufhin vor, er schade Bemühungen, den Druck auf den irakischen Präsidenten Saddam Hussein aufrechtzuerhalten. „Wir müssen jetzt alles tun, damit die UN-Resolutionen über Rüstungsinspektionen im Irak durchgesetzt werden“, sagte Schäuble, der im Wahlkampfteam von Unionskandidat Stoiber für die Außenpolitik zuständig ist. Zudem schloss er eine deutsche Beteiligung an einem Angriff auf den Irak nicht aus.

Der nordhein-westfälische FDP-Chef Jürgen Möllemann bezeichnete Schröders und Fischers Äußerungen als „rein wahltaktisches Manöver“. Der Kanzler und der Außenminister würden sich bis zum Wahltag zögerlich äußern und danach Maßnahmen mittragen, „wenn sie dann überhaupt noch dran sind“.

Verteidigungsminister Peter Struck sagte dem Tagesspiegel, er halte ein Mandat der UNO für unabdingbar, „wobei völlig klar ist: Wir stehen nicht vor einer solchen Situation.“ Struck bekräftigte, dass die in Kuwait stationierten 52 Soldaten und 6 Fuchs-Spürpanzer dort bleiben werden. „Die Amerikaner haben uns gebeten, diese Soldaten dort zu belassen, weil sie immer noch Sorge haben vor biologischen und chemischen Waffen in der Hand von Terroristen.“

US-Präsident George W. Bush hatte wiederholt erklärt, bei der Entmachung Saddams alle Optionen in Betracht zu ziehen. Bush wirft Saddam vor, trotz eines UNO-Verbots nach Massenvernichtungswaffen zu streben. UNO-Waffeninspektoren hatten Irak Ende 1998 verlassen, weil die dortigen Behörden sie an ihrer Arbeit gehindert hätten. Die Rückkehr der Inspektoren und der Nachweis, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen herstellt oder lagert, ist Voraussetzung für die Aufhebung der UNO-Sanktionen gegen Irak. „Ich kann nur davor warnen, ohne an die Folgen zu denken und ohne eine politische Konzeption für den gesamten Nahen Osten jetzt über einen Krieg gegen den Irak zu reden oder nur nachzudenken“, sagte Schröder. Es werde auch keine finanzielle Beteiligung Deutschlands an einer möglichen Militäraktion geben, sagte der Kanzler unter großem Beifall der rund tausend SPD-Anhänger. Auch Fischer wandte sich gegen ein militärisches Vorgehen zum jetzigen Zeitpunkt. In einem ZDF-Interview, das gestern Abend ausgestrahlt werden sollte, sagte er, zunächst müsse der internationale Terrorismus abgewehrt werden. An zweiter Stelle sollte die Lösung regionaler Konflikte wie im Nahen Osten und in Kaschmir stehen. „Hier jetzt sozusagen zu meinen, einen Regierungswechsel mit bewaffneter Intervention in Bagdad herbeiführen zu müssen, halte ich für eine falsche Prioritätensetzung.“ WG

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