Der erzwungene Abschied

aus Harare GODFREY KARORO

Als die Besatzer kamen, war Elke Cartwright nicht da. Zusammen mit ihrem Mann Douglas war die deutschstämmige Farmerfrau auf einem Hochzeitsfest, als Brigadier Ambrose Mutinhiri mit seiner Miliz in die Farm Waltondale einrückte. Das war am 6. April 2002, einem Samstag. „Seitdem habe ich mein Zuhause nicht mehr gesehen“, sagt Elke Cartwright in ihrem Mietshaus in Simbabwes Hauptstadt Harare. „Man lässt uns nicht mehr zurück.“

Das Ehepaar Cartwright hat zwei Kinder, ein sechsjähriges Mädchen und einen vierjährigen Jungen. Beide wurden auf der Farm geboren, die etwa 80 Kilometer östlich von Harare liegt. Auch Douglas wurde auf dem Land geboren, das sein Großvater 1934 kaufte. Nun hat die Familie alles verloren – und mit dem Ablauf des Ultimatums der Regierung an die etwa 2.900 von Enteignung betroffenen weißen Farmer Simbabwes, ihr Land zu verlassen, erlischt vorerst die Hoffnung, daran ließe sich etwas ändern.

Die Hinterlassenschaft

Waltondale besteht aus 533 Hektar Ackerland und 900 Hektar Weideland. Auf 80 Hektar davon wuchs Tabak, Simbabwes wichtigstes Agrarexportgut, auf weiteren 30 Hektar Mais, Simbabwes wichtigstes Grundnahrungsmittel. Außerdem gab es 600 Rinder, dazu 30 Milchkühe. In einer Sägemühle wurde Kiefernholz verarbeitet. Das gesamte Equipment der Farm ist noch da, ebenso ein großer Teil des persönlichen Besitzes der Familie. „Es gibt zwei Schuppen und einen komplett ausgestatteten Werkhof“, erzählt die Farmersfrau. „Wir haben 11.000 Liter Diesel hinterlassen, sieben Traktoren, 40 Hallen zum Trocknen der Tabakernte, eine voll ausgerüstete Molkerei, eine Käserei, eine Sägemühle, eine komplette Bewässerungsanlage und zwei Häuser.“ Den Wert all dessen schätzt sie auf ein bis zwei Millionen Euro. „Wir haben über 60 Jahre Aufbauarbeit verloren.“

Die Farm bot 200 Arbeitsplätze; die Farmarbeiter und ihre Familien zählten etwa 800 Personen. Anders als auf vielen weißen Farmen in Simbabwe hatten die Arbeiter auf Waltondale kostenlose Unterkunft mit Strom und fließendem Wasser. Es gab eine Schule für die Kinder und die von Arbeitern auf Nachbarfarmen. Einige der Arbeiter leben seit über fünfzig Jahren auf der Farm. Auch sie haben mit der Farmbesetzung alles verloren.

Der Besetzer

Der Besetzer, Brigadier Mutinhiri, ist kein Landloser. Er ist Parlamentsabgeordneter und war früher simbabwischer Botschafter in Jugoslawien. Als er Waltondale in Besitz nahm, war das völlig illegal. Erst am 31. Mai setzte die Regierung Waltondale auf die Liste zu enteignender Farmen. Dann erst bekam die Familie Cartwright den Räumungsbefehl. Dass zuvor ein Gericht einen Räumungsbefehl gegen Mutinhiri ausgestellt hatte, zählte nicht mehr. „Wir waren vor Gericht gegangen, weil es damals nicht den geringsten Bescheid der Regierung oder des Agrarministeriums gegeben hatte, dass die Farm für Umsiedlungszwecke gebraucht würde“, sagt Elke Cartwright. „Es war ein Schock, hinausgeworfen zu werden, ohne herausfinden zu können, wie und warum.“

Elke Cartwright wurde als Elke Klew in Südafrika geboren und kam in den frühen 90er-Jahren nach Simbabwe, wo sie ihren Mann Douglas heiratete. „Damals war ich so optimistisch darüber, was ich in diesem Land im Sinne von Rassengleichheit und Fortschritt sah“, erinnert sie sich. „Heute sehe ich dieses Land nicht mehr als eines, in dem Freiheit herrscht und die Leute Chancen haben. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Simbabwer, der nicht irgendwie betroffen ist. Bestimmte Personen haben das Landumverteilungsprogramm für ihre Zwecke an sich gerissen, und es ist keine allgemeine Politik der Landreform mehr, wie es einst gedacht war. Alle Leute haben jetzt Angst.“

Die Heimat

Ihr Mann Douglas ist noch schlimmer getroffen als sie, glaubt sie. „Er kennt kein anderes Zuhause. Es ist die Heimat seines Großvaters, seines Vaters und seiner Kinder.“ In den letzten Monaten hat Douglas Cartwright über 300 Personen in staatlichen Stellen aufgesucht – Beamte des Agrarministeriums, Agenten des Geheimdienstes, Mitglieder des staatlichen Landkomitees, hohe Polizisten und Militärs. Jeder Einzelne dieser Leute, sagt Elke, hat Sympathie und Verständnis geäußert. Aber niemand kann etwas tun. Brigadier Mutinhiri ist ein mächtiger Mann mit bewaffneten Unterstützern. „Mutinhiri ist eine ziemlich bedrohliche und einschüchternde Person“, so Elke, „und obwohl wir mehrmals mit ihm ganz normal telefoniert haben, wehrt er jede gütliche Einigung ab.“

Elke Cartwright ist nicht gegen Landreform an sich. „Im Prinzip sind die Prozeduren für Landumverteilung in Ordnung, wenn sie buchstabengetreu ausgeführt werden“, meint sie. „Die Betroffenen sollten die Möglichkeit haben, zurück zum Anfang zu gehen und die angegebenen Schritte durchzuführen, wonach untergenutztes Land umverteilt wird und niemand mehr als eine Farm besitzen darf. Solche Kriterien wären ein guter Anfang zu einer Landreform. Aber sie wurden nicht eingehalten, und hochproduktive Farmer wurden aus ihrem Land geworfen.“

Der Zusammenbruch

Nicht nur Waltondale ist betroffen. Nebenan auf der einen Seite hat Elkes Schwager seine Familie nach Drohungen in Sicherheit gebracht, obwohl seine Farm noch nicht auf der Enteignungsliste steht. Auf der anderen Seite liegen die Farmen Dudley und Churchill, die noch arbeiten, aber wegen der bewaffneten Milizen Probleme haben. Von drei Farmerfamilien dort ist eine emigriert und die anderen beiden sind zusammengezogen, um sich schützen zu können.

Wie überall im Land führt die Unsicherheit zum ökonomischen Zusammenbruch. Von den 67 Farmen im Gebiet Marondera/Wedza, wo Waltondale liegt, haben dieses Jahr nur noch zehn Tabak ausgesät. Waltondale allein produzierte früher 200 Tonnen Tabak im Jahr. Jetzt hat die Regierung auf der Farm 15 Bauern angesiedelt, die vermutlich versuchen werden, Mais zu pflanzen, was weniger Einkommen pro Hektar bringt. „Es ist zu spät, jetzt Tabak anzupflanzen; die Saat muss bis Juli ausgebracht werden“, erklärt die Farmerin. „Wir hoffen, dass wir bis Jahresende ein Art von Einigung zumindest mit unseren ehemaligen Arbeitern erzielt haben.“ Für sie arbeitet die Familie Cartwright an einem Abfindungspaket, das umgerechnet 280.000 Euro kosten dürfte.

Aber was nun aus ihr selbst und ihrer Familie wird, weiß sie nicht. Elke gibt jetzt halbtags Computerunterricht, um die Familie zu ernähren. Sie hat einen deutschen Pass und könnte auswandern; ihr Mann aber ist Simbabwer und hat anders als manche anderen Weißen kein Recht beispielsweise auf einen britischen Pass, weil er in Simbabwe geboren wurde. „Hier fühle ich mich zu Hause“, sagt sie. „Hier habe ich meine gesamte Ehe verbracht, hier habe ich meine Kinder zur Welt gebracht. Dies ist unsere Heimat.“