Furcht um den Blick ins Weite

Vor der belgischen Küste soll eine der ersten Windenergieanlagen im Meer entstehen. Die benachbarte Gemeinde klagt gegen die Pläne der grünen Umweltministerin

KNOKKE taz ■ Geert Deman will den Horizont schützen lassen. Den Horizont vor der belgischen Küste, da, wo Meer und ein meistens wolkenverhangener Himmel zusammenstoßen. Der liberale Politiker hat schon einen Antrag gestellt: Die belgischen Behörden sollen den Streifen zum Nationaldenkmal erklären.

Deman fürchtet um den freien Blick ins Weite. Denn am Horizont soll gebaut werden: der weltweit erste Windpark im Meer, auf einer Sandbank 12 Kilometer vor Demans Heimatort Knokke. Viel zu nahe, findet der Vorsitzende der lokalen Protestgruppe „Don Quichotte“. Zum Beweis deutet er auf einige Windräder, die sich in zehn Kilometer Entfernung auf der Mole des Nachbarorts Zeebrugge drehen. Klein wie Streichhölzer sehen sie aus. „Hier wollen sie doppelt so große Turbinen bauen“, beeilt sich Deman zu versichern.

10 Windturbinen mit einer Leistung von je 2 Megawatt wollen die Firmen Electrabel und Jan de Nul 2003 in den Meeresboden rammen. 2004 sollen 40 hinzukommen. Eine Erweiterung des Projekts namens „Seanergy“ auf insgesamt 200 Anlagen ist geplant.

Und das vor Knokke, dem belgischen Badeparadies schlechthin. Im Sommer schwillt die Einwohnerzahl von 35.000 auf 200.000 an, Belgiens obere Zehntausend haben hier Zweithäuser. Der Gemeinderat von Knokke hat bereits einen Anwalt engagiert, der gegen die Genehmigung durch das Umweltministerium klagen wird. Er wirft der grünen Umweltministerin Magda Alvoet Verstöße gegen Europäische Naturschutz- und Vogelschutzrichtlinien vor.

Gustaf Dujardin kann nur den Kopf schütteln, wenn er diese Allianz aus Liberalen, Tourismusbranche und Natürschützern betrachtet. Dujardin ist der einzige Grüne im Gemeinderat von Knokke. „Bei seinen eigenen Bauprojekten hat sich unser Bürgermeister noch nie für die Vogelschutzrichtlinie interessiert“, sagt er. „Es stimmt: Jedes Windrad tötet im Jahr ungefähr 20 Vögel. Aber da ist mir die Energiewende doch wichtiger.“

Belgien hat sich im Rahmen des Kioto-Protokolls für Klimaschutz verpflichtet, den Anteil regenerativer Energien an der Stromerzeugung von 1 auf 6 Prozent zu heben. Die Windkraft dümpelt derzeit bei 0,4 Prozent. In Deutschland werden 3,5 Prozent von Windrädern erzeugt.

Geert Deman ist sich des Problems bewusst. „Aber man sollte Windräder da bauen, wo sie weder die Fischerei noch den Tourismus beeinträchtigen.“ Gegen ein anderes Projekt, das 25 Kilometer vom Festland geplant ist, habe er nichts einzuwenden.

„Wir brauchen beide Standorte“, kontert der Grüne Dujardin. Damit auch nur einen Anteil von 3 Prozent der Stromerzeugung erreicht werde, müsse man mindestens 500 Windräder bauen.

Das wäre an einem Standort weiter draußen im Meer vielleicht wirklich leichter. Aber die belgischen Grünen haben keine Zeit, danach zu suchen. Nach ihrem Eintritt in die Regierung 1999 haben sie ihren Anhängern versprochen, im Jahr 2015 das erste Atomkraftwerk abzuschalten. Und nächstes Jahr sind Wahlen – da möchte Ministerin Alvoet wenigstens die ersten Windräder vor der Küste vorzeigen können. BARBARA SCHÄDER