„Mal U2 zeigen“

Der Musiker Andreas Dorau hat für die Popkomm eine Sammlung der besten Musikclips editiert – heute werden daraus die drei Besten prämiert

Interview ANDREAS MERKEL

Herr Dorau, gucken Sie eigentlich viel Musikvideos?

Andreas Dorau: Ja, allein schon von Berufs wegen: Plattenfirmen und Künstler treten mit Aufträgen an mich heran, und ich vermittele dann zwischen beiden.

Und was schauen Sie da so weg?

Ich kann mir locker fünf Stunden am Stück Videos angucken. Wobei man sagen muss, dass man das meiste davon ja auch so nebenher gucken kann, weil man sowieso weiß, was gleich passiert. Das, was aktuell an Musikvideos auf dem Markt ist, besteht ja zu neunundneunzig Prozent aus diesem langweiligen Einheitsbrei. Da sind dann andauernd die Musiker im Bild, dann wird mal ein Wasserfall dazwischengeschnitten oder eine Frau, die irgendwohin geht, und dann wieder zurück auf die Musiker …

Selbst gestandene Regisseure wie Wim Wenders enttäuschen ja oft mit Videos, in denen dann nichts als U2 auf einer Wendeltreppe zu sehen ist. Warum?

Bei Wim Wenders ist das Problem ja, dass er U2 wirklich mag. Dem geht es dann darum, die jetzt mal so richtig zu zeigen.

Gibt es nicht auch Vorgaben der Plattenfirmen?

Bei so bekannten Namen wie Wenders oder Scorsese sicher nicht. Davon abgesehen aber gibt es natürlich Major-Labels, die Vorgaben machen, wie oft der Sänger in Nahaufnahme zu sehen sein muss und so weiter.

Ist die ästhetische Stagnation vieler Videoclips auch ein Symptom der Krise der Musikindustrie an sich?

Wenn man bedenkt, dass eine Videoproduktion in der Regel bis 50.000 Euro kostet, da überlegt man sich sehr gut, ob man das wirklich machen soll, zumal damit das Marketingbudget meistens schon ausgeschöpft ist. Und wenn das Video dann keine Rotation kriegt, fehlt das Geld woanders: Du kannst keine TV-Spots mehr machen, du kannst keine Printwerbung mehr machen.

War es denn schwer, genug herausragende Produktionen für Ihre „Clipzone“-Rolle zu finden, die auf der Popkomm präsentiert wird?

Ich habe mir für die Clipzone-Veranstaltung gut 350 Videos angeguckt, von denen ich dann etwa zwanzig in einer Rolle präsentieren werde. Dafür habe ich mir zum Beispiel Charlotte Roches „Fast Forward“ angeschaut, aber auch die Nachtschienen bei MTV und Viva, wo noch so genannte Handeinsätze stattfinden – also Videos gezeigt werden, die keine Rotation bekommen haben.

Was waren die Kriterien?

Es ging mir vor allem um einen gesamtgestalterischen Ansatz. Was da für eine Geschichte erzählt wird und wie das optisch umgesetzt wird. Dass eben auch mal etwas anderes, Überraschendes versucht wird. Das Filmische soll im Vordergrund stehen – weniger, ob einem jetzt unbedingt auch die Musik gefällt.

Aber ist nicht entscheidend, wie die Musik mit den Bildern korrespondiert?

Natürlich auch. Ich möchte da nur „Star Guitar“, das Video von den Chemical Brothers, als ein Beispiel erwähnen. Da wird eine Bahnfahrt gezeigt, und es ziehen am Computer generierte, ineinander gefadete Landschaften an einem vorüber, die sehr subtil auf Akzente in der Musik eingehen. Das Stringente einer Bahnfahrt – bei der es ja immer voran, immer weiter geht! – passt wunderbar zu der Musik, die auch etwas Treibendes hat: Das ist ein Dance-Track, da passiert alle acht Takte atmosphärisch etwas Neues, und das spiegelt sich dann in der Landschaft wieder.

Und dann gibt es da – um beim Thema Eisenbahn zu bleiben – noch ein aktuelles Video von The Notwist, „Pilot“, das überhaupt nicht auf die Musik eingeht und trotzdem ganz wunderbar ist. Das ist im Doku-Style aufgenommen, komplett digital, und zeigt deutsche Eisenbahnliebhaber, die sogar zwischendrin auch immer wieder zu Wort kommen. Das strahlt so eine Heimeligkeit aus, die aber auch selbstironisch behandelt wird.