pop komm raus …
: Verloren in der Oberliga der Musikindustrie

Hallo, Köln, könnt ihr mich hören

Jedem seine Popkomm: Wenn man frühmorgens auf dem Weg zur U-Bahn über campierende Teenies stolpert, die sich für Bravo-Idole wie Ben oder die Band ohne Namen auf die Lauer gelegt haben, während noch die Bühnen für das Ringfest zusammengebaut werden, wird einem die relative Marginalität des eigenen Musikgeschmacks bewusst. Der Charts-Pop erschlägt eben durch schiere Masse. Und weil es da offenbar noch kommerzielle Potenziale auszuschöpfen gibt, gibt es für das gleiche Publikum, für das schon die Ringfest-Bühnen zusammengeschweißt werden, noch die so genannte Popkomm-Gala „Stars 2002“ oben drauf. Für taschengeldfreundliche 10 Euro wurden dort in diesem Jahr Namen wie Sarah Connor (mit per Video zugeschaltetem Wyclef Jean), Bro'Sis und die Sugababes versprochen. Eben das, was hierzulande so zur zugkräftigen Pop-Oberliga zählt.

Die angebliche Gala-Veranstaltung „Stars 2002“ entpuppt sich am Abend allerdings als schnöde Liveaufzeichnung, für die das zwölftausendköpfige Publikum in der KölnArena zu reinen Claqueuren degradiert wird. Sat.1-Moderator Kim Deyle steht zwar mitten in der Halle in einer Art Boxring, redet aber mehr in die Kameras als in den Raum. Ab und an ruft jemand mit holländischem Akzent (eine De-Mol-Produktion?) Regieanweisungen aus dem Off, dann wird die Szene wiederholt. Und zwischen den Auftritten von Xavier Naidoo, der dem Publikum – mit kilowattschwerer Lichtbatterie im Rücken – noch einmal in die Augen schaut, Baby, bevor er geht, von Ashanti oder Kim Styles, deren Version des Hot-Cocolate-Hits „Everyone's a Winner, Baby“ noch eine Spur ekliger ist als das Original, zwischen all diese kurzen Auftrittsschnipsel wird immer mal wieder eine Pause eingelegt: Das sind die Werbepausen im TV-Programm. Dann werden auf den Monitoren im Saal zwei quälende Minuten lang die Sekunden heruntergezählt, und das Publikum geht sich ein Bier holen oder blättert im Kölner Express, in dem schon ein Nachbericht steht.

Die KölnArena gibt es erst seit ein paar Jahren, und sie stand gleich nach der Eröffnung schon mal kurz vor der Pleite. Heute hält sie sich mit Veranstaltungen wie „Lords of the Dance“, Grönemeyer-Konzerten und Eishockeyspielen über Wasser. Von den Anwohnern in der Umgebung scheint der monströse Eventklotz als Wahrzeichen des Viertels allerdings angenommen worden zu sein: In einem benachbarten Döner-Laden hängt ein Ölbild, auf dem eine riesige KölnArena die Nacht erleuchtet, im Hintergrund ist links der Kölner Dom, rechts die Blaue Moschee in Istanbul zu erkennen.

Später zieht man dann weiter auf der linken Rheinseite, ins Gebäude 9. Dorthin hat die Zeitschrift Intro Bands aus Berlin eingeladen, zum Aufwärmkonzert. Als man ankommt, ist der Auftritt von Mia gerade vorbei, und alle erzählen, wie gut er gewesen sei. Den Höhepunkt gerade verpasst zu haben gehört natürlich zu den obligatorischen Popkomm-Eindrücken. Dafür kommen dann noch die Quarks, die ebenfalls eine prägnante Sängerin besitzen, die im knallroten Kleid und ebenso roten Stiefeln ein bisschen wie eine Nena für die heutige Zeit wirkt. Ein neues Berliner Fräuleinwunder? Die Quarks jedenfalls zeigen sich unbeeindruckt und spielten ihr Set herunter, während auf der Leinwand im Hintergrund brennende Flugzeuge abstürzen oder quadratische Muster ineinander fallen, in melancholischem Einvernehmen mit ihrem Publikum. „Popkomm oder Köln?“, fragte der Bassist am Ende. „Berlin“, antwortet ihm jemand aus der Menge. DANIEL BAX